Schwarzwälder Kirsch [Glottertal]

Von Küchenglück und beschwipsten Kirschen
Drei schokoladige Biskuitböden und mindestens ein ganzer Liter Sahne, saftige Sauerkirschen und – davon lieber etwas mehr als zu wenig – geraspelte Schokolade mit möglichst hohem Kakaoanteil … Klingt verführerisch? Unbedingt!
Unbedingt gehört auch Hochprozentiges zur Schwarzwälder Kirschtorte. Und nach dem Kirschwasser – nicht nach den süßsauren Früchtchen – ist die Torte auch benannt. „Denn so viele Kirschen wie Torten gebacken werden, gibt es im Schwarzwald gar nicht!“ Das sagt Karl-Heinrich Kunz, Inhaber und Maître de Cuisine im Landidyllhotel zum Kreuz, dem 400 Jahre alten Haus, das sich ins wildromantische Glottertal schmiegt. Ins Glottertal, wo Trauben an schwindelerregenden Steilhängen sonnenreiche Sommer auskosten und von leidenschaftlichen Winzern zu vollmundigen Weinen gekeltert werden, wo der Breisgauer Weinweg mäandert, mitten im Schwarzwald, der Heimat von Bollenhut, Kuckucksuhr und Kirschwasser eben.

Etwa 120 verschiedene Trachten gibt es im Schwarzwald. Lediglich in den drei Dörfern Gutach, Kirnbach und Reichenbach gehört der ikonische Bollenhut dazu. Rote Wollbollen zieren die Hüte lediger Frauen, schwarze Bollen die verheirateter.

Eine Schwarzwälder Kirschtorte zu kreieren, wenn auch nur „en miniature“, steht an diesem sonnigen Herbstabend auf unserer Agenda. Wir drängen uns um die stahlglänzende Arbeitsplatte, hängen an den Lippen von Karl-Heinrich Kunz, der gestenreich von den Geheimnissen des Tortenbackens erzählt. Und mit unnachahmlichem Witz auch einen Abriss der Mythen rund um die legendäre Sahnetorte liefert.
Denn die ist vermutlich ein Import. Gesichert ist, dass sie sich ab den 1930er Jahren in ganz Deutschland und über die Landesgrenzen hinaus verbreitet hat. Ein gewisser Josef Keller reklamiert mit einem 1927 geschriebenen Rezept die Schwarzwälder Kirschtorte fürs Bad Godesberger Café Agner. Von der heutigen ist seine Kreation jedoch zwei Biskuitböden entfernt. Auch einem Tübinger Konditormeister – Tübingen gehörte bis 1924 immerhin zum Schwarzwaldkreis – schreibt man die Urheberschaft zu und beruft sich auf ein Rezept von 1930. Sogar in der Schweiz wird die Erfindung der Schwarzwaldtorte vermutet. Möglicherweise geht sie auch einfach auf ein Dessert aus eingekochten Kirschen mit Rahm und einem Schuss Kirschwasser zurück, das man wohl schon seit dem 19. Jahrhundert im Südschwarzwald kennt.

Wir schieben die schönen Spekulationen beiseite, widmen uns dem Rezeptzettel an der Wand und den Zutaten auf dem Tisch. Backen liebe ich zwar, mein Talent ist jedoch bescheiden. Darum bin ich erleichtert, dass die Biskuitböden schon vorbereitet sind. Auch die süße Sahne ist geschlagen. Ich darf also Schokobiskuit großzügig – der Geschmack muss deutlich wahrnehmbar sein, so will es ein „Leitsatz für feine Backwaren“ – mit Alkohol tränken, Kirschen arrangieren, Sahne glatt streichen. Und alles einmal wiederholen.

Statt großer Tortenringe gibt es kleine, runde Förmchen, an denen ich mein Geschick erproben kann. Was der Dame mir gegenüber – übrigens eine der talentierten Zuckerbäcker*innen im Zum Kreuz – an einer Torte in Originalgröße so leicht von der Hand geht, erfordert meine ganze Konzentration. Schließlich ist auch mein Törtchen formschön geschichtet und rundum mit Sahne bestrichen. Schokolade darüber raspeln, ein krönendes Kirschchen obenauf, ein frischgrünes Minzblatt … Voilà!
Ins Verzeichnis der „Garantiert traditionellen Spezialitäten“ der EU hat es die Schwarzwälder Kirschtorte bisher nicht geschafft. Vermutlich, weil ihre Herkunft weiterhin im Dunkeln liegt. Doch was wiegt ein Etikett gegen guten Geschmack? Über Kalorien schweige ich besser …

© Texte und Bilder: Jutta M. Ingala

WER? WO? WAS?
Die Küche im Landidyllhotel zum Kreuz ist vorzüglich. Überraschend, dennoch bodenständig. Die legendäre Schwarzwälder Kirschtorte zum Nachmittagskaffee ist unbedingt zu empfehlen. Sollten aus einem Stückchen zwei werden, ist das kein Malheur, denn im hauseigenen Spa und Schwimmbad finden Gäste einen schönen Gegenpol zum kulinarischen Genuss. Wer gerne wandert, trifft vis-à-vis vom Hotel auf den Breisgauer Wanderweg, der unter anderem durch die Weinberge des schönen Tals führt.

Landidyll Hotel zum Kreuz
Landstraße 14
79286 Glottertal
www.zum-kreuz.com

Das Glottertal habe ich auf Einladung der Landidyll Hotels & Restaurants besucht. „Landidyll“ steht für eine Gruppe inhabergeführter Häuser in den schönsten Regionen Deutschlands. Besondere Rückzugsorte auf dem Land. Merci für die Gastfreundschaft!

8 Gedanken zu “Schwarzwälder Kirsch [Glottertal]

  1. Hallo Jutta,

    ich dachte eigentlich auch, daß es bzgl. der Herkunft der Schwarzwälder Kirschtorte keinerlei Fragen gibt!

    Einen Artikel zum Bad Godesberger Café Agner und der Schwarzwälder Kirschtorte findest Du in einer Ausgabe des Bonner General-Anzeigers aus dem Jahre 2001 (https://ga.de/region/schwarzwaelder-kirschtorte-stammt-aus-godesberg_aid-40120169).

    Aber unabhängig davon, ob die Torte in Griechenland, Schweden oder im Schwarzwald „erfunden“ wurde, lecker ist sie allemal. Aber als Bonner behaupte ich jetzt …. Sie wurde garantiert in Bonn erfunden und trägt somit ihren Namen eigentlich zu unrecht :(

    Einen schönen Sonntag wünscht Dir
    Winfried

    • Hallo, lieber Winfried, du hast ja wirklich zum jedem Thema die passende Ergänzung! Danke für den Link : ) Im Grunde finde ich es spannend, dass auch relativ junge Sachverhalte nicht immer zweifelsfrei geklärt werden können! Zwar bin ich geneigt, zu glauben, dass die Torte doch eine Schwarzwälder Erfindung ist, aber das ist einerlei, denn wie du sagst: Lecker ist sie allemal!“ Hab einen schönen Abend, herzlich, Jutta

  2. Schöne Geschichte!
    Und ich dachte immer, die Torte sei „urschwarzwälderisch“ : ) Aber Backworkshops gibt es in dem Hotel nicht oder doch?
    Herzlich,
    Liz

    • Hallo Liz, das dachte ich auch und ich mochte die Torte zuvor nicht einmal! Ganz offensichtlich hatte ich dann doch keine „echte“ erwischt. Schwarzwälder Kirsch ist eben nicht gleich Schwarzwälder Kirsch! Workshops leider nein. Wobei das eine sehr gute Idee ist! Vielleicht fragst du mal an? Sonnige Grüße, Jutta

  3. Ich liebe Schwarzwälder Kirschtorte sehr, habe allerdings noch nie eine selbst gebacken. Gibt es denn ein Rezept dafür vom Hotel?
    LG, Heide

    • Hallo Heide, ich mochte die vorher nicht : ) Aber jetzt! Ohne mich da nun brüsten zu wollen, aber wenn die Biskuitböden gelungen sind, steht dem Gelingen der Torte eigentlich nichts mehr im Wege! Rezept ist geheim, aber auf der Seite vom Schwarzwald Tourismus gibt es unter dem Stichwort „Schwarzwälder Kirschtorte“ eines. Schönes Wochenende, Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

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