Slow Food im Glashaus [Niederlande]

Zu Gast in der Brasserie Meelfabriek Zijlstroom in Leiderdorp

Die Zijl ist ein kurzer Fluss in Südholland. Im Süden markiert sie die Grenzen zwischen Leiden, der Geburtsstadt Rembrandt van Rijns und dem kleineren Leiderdorp. Um das Jahr 1000, als der Nederrijn – der Niederrhein – bei Katwijk noch in direkter Verbindung mit der Nordsee stand, wurde auch die Zijl von den Gezeiten beeinflusst. Später verschlammte diese Mündung. Die fehlende Entwässerung verursachte regelmäßig Überschwemmungen, die bis ins Rheinland spürbar waren. Hinderlich für die Schifffahrt und den Handel. Schon früh fanden die Niederländer eine pragmatische Lösung für das Problem: gruben aus, leiteten ab. Seitdem haben sich Flussläufe verändert, ist neues Land entstanden und die Zijl strömt wieder ruhig dahin.

Die Getreidemühle

An ihrem Ufer entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Getreidemühle. Auftraggeber war der örtliche Viehzüchter „Jaccie“ de Graaf, der dort sein eigenes Viehfutter produzieren wollte. Die Entwürfe für das Gebäude stammen vom Architekten A. T. Kraan aus Oegstgeest. 1916 nahm „De Zijlstroom“ den Betrieb auf, wurde im Laufe der Jahrzehnte um Ställe und ein Wohnhaus erweitert, irgendwann verlassen und vergessen. Ställe und Wohnhaus sind verschwunden, auch die Fabrikschornsteine. Geblieben ist das Jugendstil-Gebäude aus rotem Ziegelstein mit schwarzen Sprossenfenstern.

Von der Mehlfabrik zum Restaurant

Seinem Charme erlagen Anfang der 2000er Jahre drei Gastronomen aus dem benachbarten Leiden. Sie erkannten das Potential in der Mehlfabrik an der Zijl. Am Übergang der urbanen Wohnviertel zum offenen Grünland des Boterhuispolders, jenem neuen Land, das schon vor über einem Jahrtausend entstanden ist. Ein behutsames Make-over von Kingma Roorda Architekten mit gläsernem Anbau war im April 2007 abgeschlossen. Die Innenarchitektin Marian de Bock kombinierte Altes mit Neuem. Verzichtete dabei jedoch auf teure Designerstücke, bevorzugte in ihrem Konzept vielmehr recycelte Stücke und verlieh Vorhandenem eine neue Funktion. Ihr Design ist zeitlos und zurückhaltend, die verwendeten Materialien ehrlich. Auf dem Grundstück der Mehlfabrik entstanden zudem Gewächshäuser für den eigenen Anbau von Gemüse und Kräutern und kleinere „Kasjes“ – Glashäuser – für intime Diner.

De Zijlstroom

Die neue Brasserie Meelfabriek Zijlstroom setzt auf Slow Food mit wechselnden Gerichten. Die Karte ist überschaubar, die Gerichte sind international inspiriert. Zubereitet werden vor allem Produkte aus der Region, Fleisch und Käse von umliegenden Gehöften. Möglichst aus nachhaltiger Landwirtschaft, möglichst viel „Grünzeug“ aus eigenem Anbau.

Ich entscheide mich für eine Shakshuka, die im emaillierten Pfännchen serviert wird. Meine Begleitung ist sehr angetan vom Hamburger. Wasser ist gratis und wird in hübschen Glasflaschen an den Tisch gebracht. Lokales Bier schmeckt an diesem freundlichen Frühlingstag im April besonders gut. Das Ambiente ist entspannt, die Bedienung ebenfalls. Über uns baumeln grüne Gewächse in gläsernen Ampeln. Auf der Terrasse haben sich Gäste niedergelassen, um ihr Essen an der frischen Luft und unter blauem Himmel zu genießen. Auch wir genießen. Sehr! Unsere Gerichte sind vorzüglich. Einfach, aber raffiniert. Mit dem Geschmack bester Zutaten und leidenschaftlicher Zubereitung.

Draußen gackern Hühner. Auch die gehören zum Konzept der Brasserie. Eine Empfehlung!

© Text, Fotos: Jutta M. Ingala

Reisetipps

Brasserie Meelfabriek Zijlstroom
Zijldijk 28
2352 AB Leiderdorp
Niederlande
www.zijlstroom.nl

Mehr über die Niederlande, alltägliche und außergewöhnliche Orte im Dumont Reisetaschenbuch „Niederlande“. Kenntnisreich zusammengetragen und geschrieben von Susanne Völler und Lucio Oiro.

Herzlichen Dank an die Teams von Streek van Verrassingen, Brasserie Meelfabriek Zijlstroom, sowie LEIDEN&Partners, die zu dem Besuch eingeladen haben. Inhalte dieser Veröffentlichung spiegeln ausschließlich meine eigene Meinung.

12 Gedanken zu “Slow Food im Glashaus [Niederlande]

  1. Liebe Jutta, die Fotos sprechend für sich! Was für ein schöner Ort. Im Sommer fahren wir bestimmt wieder an die Küste, da kommt diese Empfehlung gerade richtig. Ich hatte deine anderen Artikel über Leiden auch schon gelesen. Da gibt es viel Neues für uns zu entdecken!
    Herzlich, Barbara

    • Liebe Barbara, das freut mich sehr! Hoffe, dass eure Reiseplanung klappt und solltet ihre Leiden tatsächlich besuchen, mag ich auch das Naturkundemuseum Naturalis empfehlen. Großartige Architektur, fantastische Didaktik. Herzlichen Dank fürs Mitlesen, sonnige Grüße, Jutta

  2. Hallo Jutta,
    ich würde sagen …. Auf nach Leiden! Die Brasserie sieht wirklich sehr gemütlich aus. Und wenn ich Dein Bild des Shakshuka sehe bekomme ich jetzt um 22:40 Uhr Hunger :)

    Viele Grüße
    Winfried

    PS: Hast Du auf der Internetseite http://www.zijlstroom.nl gesehen, dass ein Eigentümerwechsel stattfindet.

    • Hallo, lieber Winfried, das mag ich auch unbedingt empfehlen! In Leiden / Leiderdorp liegen Avantgarde und Geschichte, Tradition und Moderne so nah beieinander. Alles ist fußläufig oder mit der „Fiets“ erreichbar. Man isst gut, kann Kunst anschauen … eine Stadt, die den Metropolen in NL in nichts nachsteht. Wo du es sagst … Ich bekomme auch Hunger! Und ja, lieben Danks fürs genaue Hinsehen: Da gibt es tatsächlich gerade einen Besitzerwechsel. Ich denke aber: Vieles bleibt, wie es war! Ganz herzlich, Jutta

  3. In Holland – sorry: Niederlande! – gibt es einfach die besten Locations! Ganz nach meinem Geschmack. Toller Tipp. Leiden ist von Ruhrgebiet aus gut erreichbar. Und dann ist man ja auch schnell am Meer. Die Buchempfehlung sehe ich mir auch gerne näher an!
    Schöne Grüße
    Wolfgang

    • Hallo Wolfgang, oh, ich spreche doch auch häufig von „Holland“, schließlich haben die Niederländer das über Jahrzehnte promotet! Frau Antje … ! Leiden ist auf jeden Fall schnell erreichbar. Für eine Tagestour oder ein Wochenende. Ein Wochenende empfehle ich, denn es gibt so viel zu sehen. Und bei schönem Wetter mag man ja auch ans Meer! Das Buch ist ein toller Allrounder für die Niederlande. Viel Vergnügen bei der Reiseplanung! Sonnige Grüße, Jutta

  4. Ich mag diese Geschichten zur Geschichte, die es bei dir immer gibt! Es sind halt keine gewöhnlichen Reisetipps auf 6 Grad Ost. Bei dir gibt es so schöne „Erzählungen“. Darüber freue ich mich immer sehr, liebe Jutta!
    Auf bald, Dorothee

    • Liebe Doro, das freut mich sehr! Das Wesentliche über die Orte ist ja meist doch schon erzählt. Da macht es mir auch immer Spaß, ein bisschen zu suchen und zu finden. Manchmal erzählen ja auch die Menschen vor Ort ihre ganz persönliche Geschichte. Herzlichen Dank fürs Mitlesen und liebe Grüße, Jutta

  5. Liebe Jutta,
    dieses Restaurant sieht so besonders aus! Hast du / habt ihr denn auch in einem dieser kleinen Gewächshäuser gegessen? Altes und Neues miteinander kombinieren hat einfach Charme. Ich mag das sehr. Vielen Dank für den Tipp!
    Grüße
    Eva

    • Liebe Eva, nein, leider nicht, „nur“ im großen „Glashaus“. Die kleinen sind für die Abendessen reserviert. Vielleicht für die romantischen Momente! Die Atmosphäre ist insgesamt außergewöhnlich. Lässig. Und das Essen wirklich gut, die Preise moderat, der Service sehr nett. Gerade gibt es ein kleines „Make-over“. In der nächsten Woche sollte die Website wieder online sein. Liebe Grüße, Jutta

  6. Das können die Niederländer besonders gut: Industriebauten umfunktionieren! Sieht wirklich klasse aus mit den vielen schönen Details und dem „shabby chic“. Shakshuka liebe ich by the way … Notiert für den nächsten Holland-Besuch. Danke übrigens für den Buch-Tipp: Der kommt auch wie gerufen!
    LG, Karin

    • Das können sie, liebe Karin! Freue mich, wenn du inspiriert bist und ja, das Buch kann ich unbedingt empfehlen. Ich hoffe, Holland steht ganz bald auf deinem Reiseplan! Sonnige Grüße, Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

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