Das Tor zur Welt. Vom Kommen, Gehen und Bleiben* [Bremerhaven]

“The cure for anything is saltwater – sweat, tears, or the sea.” Isak Dinesen*

In der Nacht wird der Wind zum Sturm. Ungestüm zerrt er an den Segeln, tobt, heult, während der Regen im Takt gegen das Bullauge der Kajüte trommelt. Die Uhr zeigt elf. Ich hocke auf einem schmalen Sims, sehe hinaus. Die Beine angewinkelt, die Füße in gemütlichen Pampuschen, in den Händen einen wärmenden Tee mit süßem Honig. Durch den Regenschleier beobachte ich die Häuser im Hafen. Sie flackern wie Irrlichter im Moor. Ich warte. Darauf, dass der Regen sich legt, dass sich die letzten Wassertropfen an der Scheibe finden, eins werden, sich in Nichts auflösen. Darauf, dass der Sturm verstummt. Doch er verstummt nicht. Müde seinen Geschichten weiter zu lauschen, Geschichten, die er an fernen Orten einfängt und um den Erdball bis hierher in den Norden trägt, gehe ich zu Bett. Auf den Lippen den letzten Tropfen Tee.  Weiterlesen

Ins Körbchen

Picknick auf Panker [Ostsee]

Ein großer Name für ein bissiges Blatt: „Die Weltbühne“. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts als Wochenzeitschrift für Politik, Kultur und Wirtschaft herausgegeben, gesellschaftskritisch und explosiv. Kurt Tucholsky gehörte zur Riege der Autoren, in die sich bekannte und längst vergessene Namen reihen, war zeitweise sogar ihr Herausgeber. In der Ausgabe vom 11. Mai 1922 schrieb er: Reich an Saibling: der Selenter SeeEinsamkeit und Stille am Selenter See
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Pfahlbau am Strand von St. Peter-Ording

Moin Moin! [Nordsee]

Es klingt fast so als würde die Tageszeit hier überhaupt keine Rolle spielen: „Moin!“ Morgens, mittags, abends. „Moin!“ passt. So unbekümmert wie ein „Hej!“ in Dänemark und so grundehrlich, dass es einem selbst zuerst zwar zaghaft – denn genau genommen gehört man ja nicht dazu –, beim nächsten Mal dann umso forscher über die Lippen kommt: „Moin!“ Damit sind die Verhältnisse geklärt. Seebrücke von St. Peter-Ording
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Liebe auf den ersten Blick [Heidelberg]

Mit Heidelberg und mir war es Liebe auf den ersten Blick. Kein heißer Flirt, sondern eine dauerhafte Beziehung. Wir hatten eine tolle Zeit. Dabei bin ich damals ziemlich blauäugig in die Neckarstadt gefahren, habe mich eingeschrieben – Am besten irgendetwas mit Sprachen und Literatur?! – und mich erst dann gefragt, wie es wohl um den Wohnungsmarkt bestellt ist. Ganz nach dem Motto: Hier bin ich, hier bleib ich, ein Bett wird sich finden. Tatsächlich hielt ich nur wenig später einen Zettel mit einer viel versprechenden Adresse in der Hand: fußläufig zur Uni, Nähe Philosophenweg. Leider gänzlich in 70er-Jahre-Braun und -Orange gewandet. Ich habe mir selbst versichert, dass man mit Pinsel, Farbe und Fantasie durchaus etwas gegen „Retro ohne Charme“ ausrichten kann und bin abends mit einem gewichtigen Mietvertrag in der Tasche heimgefahren. 
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Streifzüge durch den Pott [2] – Alles altes Eisen

Aufstieg, Blüte, Niedergang. Am 4. April 1985 ist alles Geschichte. Nur die Landschaft ist nicht mehr wie sie war. 84 Jahre nach Gründung durch August Thyssen ist Schicht im Hüttenwerk in Duisburg-Meiderich. Auf 200 Hektar gammeln die mächtigen Industriebauten nun vor sich hin. Und die Natur schlägt zurück.  Weiterlesen

Goldglänzend: Kunst von James Lee Byars

Von Revoluzzern, Kunst und Kräuterkunde [Niederrhein]

Geschichtsträchtig ist der Landstrich zwischen den Niederlanden und Westfalen, eng an den großen Fluss geschmiegt, mit dem er sich den Namen teilt: der Niederrhein. Fluss und Land sind natürlich zwei paar Schuhe. Verlobt sind sie, aber nicht verheiratet. Während der Strom weiterzieht, ist die Landschaft eine schöne Konstante, die den Besucher mit einer überwältigenden Grenzenlosigkeit empfängt. Sprichwörtlich. Denn wo die Region Niederrhein beginnt und wo sie endet, das weiß niemand so ganz genau. schloss-moyland-mohn-2 Weiterlesen

Streifzüge durch den Pott [1] – Tiger and Turtle

Heute heißt der Kohlenpott ganz uncharmant Metropole Ruhr. „Zu Marketingzwecken“, so die offizielle Begründung. Dabei gibt es so viele Metropolen, den Pott aber nur einmal. Der neue Name klingt nicht nur langweilig, er scheint auch mit der Geschichte abgeschlossen zu haben. Mit Bergbau und Verhüttung, mit Zechen, Hochöfen und dem Russ in der Luft, der einst alles mit einem schmierigen Film bedeckte. Und auch mit der Emscher, die in den 1950er Jahren zur Kloake der Region verkommen war. Darauf war niemand stolz. Verständlich. Tiger and Turtle - Achterbahn aus Stahl
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