Naturisme oder die Geschichte des FKK [Deutschland]

Mit Buchverlosung [Beendet!]: „Dürfen wir so bleiben wie wir sind?“ von Jürgen Wiebicke | … enthält Werbung

FKK. Bis vor nicht allzu langer Zeit tauchte das Thema nur in der Peripherie meiner Wahrnehmung auf: beim zufälligen Lesen eines Artikels, auf einem Wegweiser am Meer, wo ich „Zum FKK-Strand“ las oder in wenigen Gesprächen. In meinem näheren Umfeld gab es niemanden, der FKK praktizierte. FKK oder FreiKörperKultur. Den Begriff kennen vermutlich die meisten. Naturismus ist eine andere Bezeichnung dafür.

Als ich mich im November 2021 infolge einer Krebserkrankung einer Mastektomie unterziehen musste, bewirkte der Eingriff vor allem eines: Mein Selbstverständnis veränderte sich grundlegend. Der Blick auf meinen Körper, die unverkrampfte Wahrnehmung von Nacktheit, die Akzeptanz unterschiedlichster Körperformen. Wie meiner eigenen, die asymmetrisch geblieben ist.

Dies ist der Auftakt einer dreiteiligen Artikelserie, die in Zusammenarbeit mit France 4 Naturisme entstanden ist. Das französische Unternehmen ist Anbieter für familienfreundlichen Naturismus an sieben Standorten in Südfrankreich, auf Korsika und nahe Paris. Sie alle liegen in privilegierten Naturgebieten.

Vom Korsett zur Freikörperkultur

Im Deutschen Kaiserreich herrschte das Diktat konservativer Werte und Prüderie. Das Korsett saß genauso eng am Körper wie in den Köpfen der Gesellschaft. Soziale Umgangsformen wie auch die Mode waren zugeknöpft. Ein Höhepunkt der Prüderie.

Schon lange wirkten dem Kräfte entgegen. Ausgelöst auch durch die zunehmende Urbanisierung. Denn das Leben in der Enge der Stadt, von großen Familien in kleinen Wohnungen, ging einher mit dem schamhaften Verstecken des eigenen Körpers. Etwa in Nachtwäsche. Industriell gefertigt aus Baumwolle, wurde sie plötzlich wenn nicht erschwinglich, so doch begehrlich. Um die naturgegebene Nacktheit auch in der Dunkelheit zu verhüllen. Der Stoff, aus dem auch neuartige Badekostüme gewebt waren, in denen sich Heerscharen von Städtern wann immer möglich am erfrischenden Nass der Flüsse, Seen und des Meers den Staub des Alltags abwuschen. Die Natur versprach frische Luft und wurde zur spürbaren Befreiung. Mit der Einschränkung einer Badehose. Schon 1828 befand der Swinemünder Badearzt Richard Kind, das schlecht trocknende Textil sei schädlich für den Körper. 20 Jahre später konstatierte der Wyker Doktor Penike, dass sich die günstige Wirkung des Badens nur bei direktem Körperkontakt mit Wasser einstelle. Bloß weg mit dem Badekostüm!

Bald gruppierten sich Menschen, die sich vom Korsett des Textils zu befreien versuchten. Beim Baden oder beim Sport. Die Bewegung ging von Berlin aus. Trotz wissenschaftlich positiver „Diagnose“ mussten sich einige frühe Verfechter von FKK vor Gericht verantworten und wurden sogar inhaftiert. Öffentliche Nacktheit seine eine Gefahr für Kultur und Sittlichkeit. 1893 gründete sich der weltweit erste FKK-Verein, der Naturheilverein Essen-Ruhr, 1903 entstand in Lübeck das erste FKK-Gelände.

Die Bewegung wuchs beständig und vermischte sich in den frühen 1920er Jahren mit Vertretern eines reformerischen Lebensstils, die sich vom neuen Körperbewusstsein auch einen gesellschaftlichen Wandel erhofften: Weniger steifes, auf Äußerlichkeiten bedachtes Bürgertum, mehr Streben nach Natürlichkeit. Etwa auch durch vegetarische Ernährung – so alt ist die Idee bereits! – oder Sport. Zu den prominenten Vertretern gehörten die Gymnastiklehrerin Dora Menzler, die den nackten Ausdruckstanz förderte oder Charly Strässer, der sogar ein Buch mit Turnübungen für Naturisten verfasste. Licht- oder Luftbaden, wie FKK auch genannt wurde, erfuhr enormen Zulauf. Menschen fühlten sich befreit. Hatte man das Textil erst abgelegt, lösten sich auch Hierarchien auf. Alle waren gleich.

Während der 1930er und 1940er Jahre wurde die Idee der Freikörperkultur auch für ideologische Zwecke entdeckt. Die FKK-Bewegung blühte jedoch ohne dergleichen Verstrickungen schon Ende der 1940er Jahre wieder auf und verbreitete sich weltweit. In Europa besonders im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien. Heute zunehmend auch in Kroatien, Italien, Spanien und Frankreich, wo sich 1988 vier familienfreundliche Campingdörfer für Naturisten zur Gruppe France 4 Naturisme zusammenschlossen. Jedes, der inzwischen sieben Campingdörfer, liegt eingebettet in eine einzigartige Naturlandschaft. Ganz im Sinne früher Naturisten.

Freikörperkultur – nicht „freie Körperkultur“ – ist seit 1925 die offizielle Bezeichnung für die naturistische Bewegung, deren Anhängern es nicht darum geht, den eigenen Körper zu zeigen. Es geht ihnen darum, den Körper nicht unnötig einzuengen. An geschützten Orten in der Natur. Für ein gutes Gefühl.

Thema des nächsten Artikels: das eigene Körpergefühl, Akzeptanz und Toleranz sowie die „Do’s & Dont’s“ beim FKK

© Text: Jutta M. Ingala | Fotos: France 4 Naturisme, Jutta M. Ingala

BUCHVERLOSUNG [Beendet am 24. Januar 2024. Die Gewinner wurden benachrichtigt!]

„Dürfen wir so bleiben, wie wir sind?“ von Jürgen Wiebicke ist eine philosophische Intervention gegen die Perfektionierung des Menschen.

„Seit zweieinhalbtausend Jahren fragen Philosophen: »Was ist der Mensch?« Doch seit einigen Jahrzehnten arbeiten Naturwissenschaftler und Mediziner mit ungekannter Dynamik an seiner Neuschöpfung. Die Umbauarbeiten am Projekt Mensch verlaufen in rasantem Tempo. Bioingenieure und Nanoforscher, Informatiker und Neurowissenschaftler versuchen alles, um Adam und Eva zu optimieren. Ist der Mensch ein Auslaufmodell?“

Erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch, der mir die Bücher freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.

Ich verlose zweimal je ein Exemplar des Buches. Um eines der Bücher zu gewinnen, hinterlasse einfach einen Kommentar unter diesem Artikel und erzähle mir, ob du dir vorstellen kannst einmal einen FKK-Urlaub zu machen oder eher nicht und gerne auch warum.

TEILNAHMEBEDINGUNGEN

Teilnahmeberechtigt sind alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die mindestens 18 Jahre alt sind. Teilnahmeschluss ist der 24. Januar 2024. Die Gewinner werden unter allen Teilnehmern ausgelost und per E-Mail benachrichtigt. Alle Daten werden ausschließlich zum Zweck der Gewinnbenachrichtigung verwendet. Meldet sich ein Gewinner nicht innerhalb von 14 Tagen nach Benachrichtigung, verfällt der Anspruch auf den Gewinn. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bonne chance!

OFFENLEGUNG

Der obige Artikel ist in bezahlter Zusammenarbeit mit France 4 Naturisme entstanden. Die 1988 von Jean-Philippe Pavie und Pascal Leclère gegründete Gruppe ist führender Tourismusanbieter für FKK in Frankreich. Zum Portfolio gehören sieben Reiseziele mit 3 bis 5 Sterne-Campingplätzen in Südfrankreich, Korsika und Paris. Jedes Campingdorf liegt in einem privilegierten Naturgebiet am Fluss oder am Meer, in landschaftlicher Weite oder in den Bergen. Wohlfühlorte für familienfreundlichen Naturismus.

28 Gedanken zu “Naturisme oder die Geschichte des FKK [Deutschland]

  1. Zunächst einmal finde ich es sehr spannend, dass du das Thema hier aufgreifst, liebe Jutta. Die Entstehungsgeschichte war mir gänzlich unbekannt. Ich hätte die Bewegung mit den 1968er Jahren verbunden. Ob ich selbst FKK probieren würde? Ich weiß es nicht so recht. So ganz wohl ist mir bei dem Gedanken nicht. Vom ein oder anderen weiß ich, dass er oder sie es bereits ausprobiert hat. Nun ja, ich lese gerne , was du in den Folgeartikel schreiben wirst.
    LG, Helga

    • Liebe Helga, herzlichen Dank! Ich freue mich meinerseits, dass das Thema diskutiert wird. Auch oder gerade weil der Gedanke vielen doch etwas fremd ist: Sich nackt unter vielen Fremden in der Natur zu bewegen. Spannend finde ich hier die Frage: Warum ist das so? Ich werde versuchen das in den kommenden Posts aufzuschlüsseln. Freue mich, wenn du weiter mitliest! Herzlich, Jutta

  2. Hallo Jutta, meine Frau und ich sind gerne an FKK-Stränden. Das ist schön unkompliziert. Wir finden, dass FKKler entspannte Menschen sind. Viele Grüße, Markus

  3. Ich hab’s noch nie ausprobiert. Ich käme mir da irgendwie komisch vor. So ungeschützt. Die Geschichte vom FKK kannte ich nicht. Ist interessant! Werde mal abwarten, was du hier noch schreiben wirst zum Thema. Übrigens sind die Locations in Frankreich sehr schön. Die Orte sprechen mich an. Liebe Grüße, Verena

    • Vielen Dank, Verena, ja, die Orte sind sehr ansprechend. Das ist beim FKK ja auch zentrales Thema: sich an einen Wohlfühlort zu begeben. Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen: komisch, ungeschützt … FKK ist eine andere Komfortzone! Freue mich, wenn du auch die folgenden Artikel liest udn sende schöne Grüße, Jutta

  4. Hallo Jutta,
    nein, ich habe noch nie FKK gemacht. Der Gedanke kam mir bisher nicht. Vielleicht hat das mit „nackt herumlaufen“ beim FKK im Vergleich zu „nackt herumsitzen“ in der Sauna zu tun. Oder damit, dass einfach viel mehr Menschen drumherum sind? Die einen angucken… ?
    Die Orte dieses Anbieters sehen sehr schön aus. Jetzt bin ich neugierig, was du in den nächsten Artikel erzählen wirst!
    Viele Grüße
    Hanne

    • Guten Morgen Hanne, ich kann gut verstehen, dass einem Gedanken wie „Da starren alle!“ kommen, wenn man FKK noch nicht probieret hat. Und genau da greift auch die Etikette des FKK. Ein mit Blicken taxieren, ein Hinstarren gehört nicht zu guten Ton. Da sind sich alle einig. Deswegen fühlen sich FKKler an ausgewiesenen, geschützten Orten auch so wohl. Schau dieser Tage gerne wieder vorbei, ob der nächste Artikel online ist! Sonnige Grüße, Jutta

  5. Hallo Jutta,
    die Hintergründe kannte ich nicht. Dann ist ja ja quasi von der Prüderie zur Befreiung und wieder hin zur Prüderie. Denn so nehme ich es wahr: Wenn es um den eigenen Körper geht, werden viele plötzlich verschämt. Anerzogen? Denke ich. Gerade dachte ich: Ach nein, FKK ist nichts für mich. Ich gehe durchaus in die Sauna. Je nach Einrichtung schwimmt man auch nackt. Ich bin gespannt auf die nächsten Artikel!
    Schöne Grüße
    Ema

  6. Es bedeutet auf jeden Fall, sich und seine Orangenheit, den kleinen Bauch und den ganz und gar nicht knackigen Po zu akzeptieren. Puh, ich habe keine Erfahrungen mit FKK. Mir war das irgendwie immer fremd. Ich muss da mal überdenken. Spontan könnte ich weder ja noch nein antworten.
    Herzlich, Ellie

    • Hallo Ellie, Orangenhaut (?) & Co. spielen da tatsächlich keine Rolle. Da greift das Buch von Jürgen Wiebicke, der die Selbstoptimierung und viele andere Phänomene, die uns hinsichtlich unsere Selbstwahrnehmung stressen, unter die Lupe nimmt. Naturisme möchte, dass sich Menschen wohl fühlen in ihrer Haut und in der Natur. Sicher auch ein Lernprozess! Liebe Grüße, Jutta

  7. Ich finde es ganz natürlich, aber ich verstehe, dass es eine gewisse Scheu gibt. Die eigene Komfort-Zone verlassen. Nacktheit kennen wir oft nur im intimen Bereich der eigenen Wohnung oder in der Sauna. Es scheint, dass sich viele Menschen nicht besonders wohl fühlen in ihrem Körper. Dabei stecken wir 24 Stunden täglich darin! Ich möchte jedem ans Herz legen, FKK einmal auszuprobieren!
    Viele Grüße
    Bernd

    • Guten Morgen, Bernd, und lieben Dank für dein Plädoyer pro Naturisme! Die Selbstsicht wird heute zu einem nicht unerheblichen Teil durch die Fremdsicht bestimmt. Ein Versuch, sich davon zu befreien, kann eigentlich nur positiv sein. Liebe Grüße, Jutta

  8. Habe ich noch nie gemacht! Mit der entsprechenden Lektüre wäre ich vielleicht mutig genug! (Finde ich Anregungen dazu im Buch?) Ich denke, es hat mit Scham zu tun. Und dass FKK vielleicht im Kopf schnell mit Erotik verknüpft wird. Bestimmt auch mit einem nicht ganz so perfekten Körper. Wobei: Was heißt das schon und ein kleines Textil verdeckt ja auch eher wenig vom eigenen Körper. Vielleicht ist es ein Sicherheitsbedürfnis, sich zumindest mit etwas Stoff zu verhüllen? Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, sein Gegenüber beim FKK nicht anzustarren. Das wirft ganz schön viele Fragen auf! Spannend,

    liebe Grüße
    Sabine

    • Guten Morgen, liebe Sabine, im Buch gibt es keine Anleitung dazu aber viele wertvolle Gedankenanstöße! Ich verstehe das sehr gut: Sich mit Textil sicherer zu fühlen, weil man glaubt, das Gegenüber würde den eigenen Körper kritisch unter die Lupe nehmen,. Aber darum geht es eben beim Naturisme nicht. Anhänger der Bewegung sind Menschen, denen das gänzlich fern liegt. Erotik, Sexualität ist beim FKK kein Thema. Es geht nicht, um das zur Schau stellen von Haut, es geht darum, sich frei und ungezwungen in der Natur zu bewegen. Freue mich, wenn die weiter mitliest! Schöne Grüße, Jutta

  9. Hallo Jutta, ja ich habe FKK bereits an Stränden probiert. Ich fühle mich wohl dabei. Bei meinem Partner musste ich etwas Überzeugungsarbeit leisten. Im Grunde sind es die Menschen, denen ich von meinem FKK erzähle, die mir manchmal die Lust nehmen. Da gibt es wohl einige Vorurteile. Umso schöner, dass das Thema auch in der Öffentlichkeit – oder hier – eine Plattform findet. Ich freue mich auf die Folgeartikel. Über den Gewinn des Buches würde ich mich auch freuen. Den Autor höre ich oft im Radio!
    Herzlich
    Annemarie

    • Guten Morgen, Annemarie, schön, dass du deinen Partner motivieren konntest, FKK auszuprobieren! Ja, es gibt vielleicht zu wenig Transparenz und darum den ein oder anderen Gedanken zum FKK, der der Idee nicht entspricht. Ich hören Jürgen Wiebicke auch sehr gern! Herzlich, Jutta

  10. Noch nicht probiert! Allerdings gehe ich ja auch in die Sauna, warum sollte ich da kein FKK machen? Ein „Schnuppern“ wäre prima. Also erst einmal ausprobieren, bevor man einen ganzen Urlaub bucht. Die Anlagen sehen schön aus!
    LG
    Ulla

  11. Ich gehe in NL ab und zu an den FKK-Strand. Einen FKK-Urlaub habe ich noch nicht gemacht. Kann ich mir aber vorstellen.
    LG, Elke

  12. Hallo Jutta,

    interessantes Thema! Ich kenne auch niemanden, der schon einmal FKK gemacht hätte. Selbst habe ich schon darüber nachgedacht. Was ich da online gefunden habe, war nicht das, was ich mir gewünscht hätte. Ich war gerade auf der Seite von France 4 Naturisme: Das sieht alles sehr ansprechend aus! Kann ich mir vorstellen!

    Gruß
    Klaus

  13. Ich war noch nie an einem FKK-Strand. Die Fotos sehen sehr schön aus. Ich würde mich genieren, glaube ich.
    Viele Grüße
    Anke

    • Guten Morgen, liebe Anke, ich kann das sehr gut nachvollziehen. Nacktheit vor Fremden ist vielen ungewohnt. Es kann sehr befreiend sein, sich mit dem Warum? auseinanderzusetzen. Ganz herzlich, Jutta

  14. Die Philosophie von Jürgen Wiebicke ist mir näher als FKK! Ich habe das noch nie ausprobiert und warte einfach auf Artikel 2 und 3. Vielleicht weiß ich dann mehr.
    LG,
    Silvia

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