Wandern am Niederrhein

Vom Naturpark Schwalmtal-Nette bis zum Dämmerwald | … enthält Werbung

Am Niederrhein ist alles im Fluss. Wo die Region beginnt und wo sie endet, das weiß eigentlich niemand so ganz genau. Denn Rhein und Rur, Nette, Niers und Lippe gestalten das Land auch heute noch. Oder wieder. Etwa dort, wo Renaturierungsprojekte greifen. Sie nehmen Besucher mit auf ihre gemächliche Reise durch die meist flache Landschaft, wo man – so heißt es – bereits beizeiten sieht, wer demnächst zu Besuch kommt. Freie Sicht bis zum Horizont, bizarre Kopfweiden und schlanke Pappeln, weite Äcker auf denen Kohl, Kartoffeln und Spargel so gut gedeihen und die im Herbst von Wildgänsen erobert werden. Auf der anderen Seite Urwaldzellen, Bruchwald, Jahrhundertealte Buchen. Der Niederrhein lässt sich bestens in Wanderschuhen erkunden. Neun grenzüberschreitende Premiumwanderwege mäandern durch den Naturpark Schwalm-Nette oder im Uedemer Hochwald werden die Waden auf unerwarteten Steigungen massiert und der Dämmerwald ist ganz anders als sein Name vermuten ließe, oft lichtdurchflutet. Wandern entlang der schön gewundenen Niers oder durch die weitläufige Dingdener Heide, das Heideblühen an den Loosenbergen erleben, Winzlinge am Schwarzen Wasser beobachten oder seltene Wasservögel auf der Bislicher Insel. Barfuß laufen in der Üfter Mark. Wandern am Niederrhein geht so weit. Und so gut!

Naturpark Schwalm-Nette

Er schmiegt sich zwischen Rhein und Maas, ignoriert dabei ganz selbstverständlich die Landesgrenze und ist überhaupt sehr eigenwillig: der Naturpark Schwalm-Nette. Natur in überbordender Vielfalt. Auf neun Premiumwanderwegen erlebbar. Grenzüberschreitend winden sie sich durch vielgestaltige Landschaft: Schwalmbruch und Galgenvenn, Zwei Seen-Runde, Nette Seen und Rode Beek, Meinvennen und Birgeler Urwald, Het Leudal, Molenplas. Die Namen klingen verheißungsvoll.

Durch den Elmpter Schwalmbruch schlängelt sich das gleichnamige Flüsschen zwischen Brüggen auf deutscher und Swalmen auf niederländischer Seite. Mit naturnahem Erlenbruchwald, Wacholderheide und Niedermoor, wo sich zahlreiche Libellenarten beobachten lassen. Im Galgenvenn gibt es moorige Teiche und Seen und ausgedehnte Areale mit Glockenheide. Teils führt der Weg im großzügigen Auf und Ab durch den eindrucksvollen und hochstämmigen Grenzwald. Hier treffen Wanderer auf alte Eichen und Mammutbäume. Eine Hinrichtungsstätte soll Namensgeber für den Wanderweg gewesen sein. Die Zwei Seen-Runde könnte auch Drei Seen-Runde heißen, streift sie doch – beinahe – den Laarer See, führt lässig um den Borner See mit seinen vielen Vogelarten herum und durch ein verwachsenes Waldstück hin zum Harik See. Dort schaukeln im Sommer verlockend Bötchen im Wasser. Am Auslauf des Gewässers liegt die Mühlrather Mühle – datiert auf 1447 –, eine von einst 35 Mühlen entlang der Schwalm und ihrer Nebenflüsse. Von der kleinen Brücke hat man einen guten Blick auf die Mühlräder, die sich noch immer durch den Fluss drehen. Hier schlug einst das Herz des Niederrheinischen Flachslands und Leinsamen wurde zu Öl geschlagen.

Einen guten Klang hat auch die Lüttelforster Mühle, heute charmantes Gasthaus an der Schwalm und liebevoll Lü genannt. Hungrige Wanderer treffen hier auf internationale Küche und historisches Ambiente.

Dass auch Kunst im Naturpark verortet sein kann, ist an einem der Nette Seen erfahrbar: Das Objekt „Fliegende Stühle“ der Düsseldorfer Künstlerin Ulrike Kessl spannt quer durch den Garten am Café & Restaurant De Wittsee spannt. Im Sommer bei Kaffee im Garten und aufs Wasser schauen. Beflügelnd!

Jeder Wanderweg im Naturpark ist einzigartig mit überwältigender oder auch ganz leiser, kostbarer Natur.

Startpunkte auf der Seite der Wasser.Wander.Welt.

Entlang der Niers

Es gibt zahlreiche Wanderwege entlang der Niers. Besonders kurzweilig mit Flussüberquerung per Kurbelfähre, ist der bei Wachtendonk. Am Ortsrand des historischen Städtchens befreit sich die Niers aus der Umarmung der alten Gemäuer und kann sich ohne Zwang entfalten. Ein Wegweiser markiert den schmalen Pfad zur Nettemündung. Schon gibt der Fluss den Ton an, darf zwischen Äckern und Wiesen die Landschaft formen. Das Wasser, das so unaufgeregt fließt, ist glasklar und lässt den Blick bis auf den Grund fallen, wo sich langfingrige Pflanzen in der Strömung wiegen. Beinahe meditativ.

Hier sind aufgeregte Entenfamilien zuhause, Schwäne und selbst der elegante Weißstorch hat sich wieder in den Auen der Niers niedergelassen, seit sie bei Hochwasser hier und da über ihre Ufer treten darf und manchen Leckerkissen an Land schwemmt. Das lockt auch Barsche, Rotaugen und Hechte.

Eine kleine Selbstbedienungsfähre baumelt an Drahtseilen überm Wasser. Noch geht es ein Stück weiter, noch ist die Mündung nicht erreicht, noch spielt sich alles an der rechten Uferseite ab, wo sich der Pfad im Takt des Flusses windet und hinter jeder Wegbiegung neue Ausblicke warten. Und dann schiebt sich ganz einladend eine schlichte Holzbank mitten in den Weg. Hier trifft die Nette die Niers.

Innehalten, Platz nehmen, zusehen wie zwei Flüsse unter der Kuppel schattiger Baumkronen eins werden. Eingelassen ins Gras ist eine Scheibe aus Metall. Zwei Fußandrücke markieren den „WasserBlick 01“ und fordern auf: „Lass dir was erzählen!“ Wer die angegebene Rufnummer wählt, erfährt in zwei Minuten die bewegte Geschichte hinter den Flüssen. Und lässt sie dann weiterziehen. Richtung Holland.

Der Weg zurück führt geradewegs zum Wassergefährt. Einsteigen, am Schwungrad drehen und sanft schaukelnd ans andere Ufer übersetzen. Es ist leicht, denn die Strömung ist ja nicht stark. Auf der anderen Seite zwischen Pferdekoppeln spazieren oder eine etwas größere Runde wählen und das wenige Meter entfernte Netteufer als Wegweiser zurück nach Wachtendonk nehmen.

Startpunkt: Friedensplatz / Wachtendonk

Dingdener Heide

Was ist denn ein Hudewald? Und wo ist die Heide? In der Kleinen Dingdener Heide kann man sich die Antworten erwandern und auf sechs Kilometern durch sieben Jahrhunderte reisen. Der „Heide Rundweg“ weist den Weg zu den „Zeitfenstern“. Das erste entführt in die Epoche zwischen 1300 und 1500, als in den Laubwäldern zwar auch Holz geschlagen wurde, hier vor allem aber Rinder, Ziegen oder Schweine weideten. In der Ferne trotten ein paar Kühe vom sonnigen Grün der Weide in den Schatten der Bäume. Es sind robuste Hinterwäldler, die das Zeitfenster mit Leben füllen.

Ein Stückchen weiter, etwas versteckt, öffnet sich das Zeitfenster „Grünland“. Wer auf die Aussichtskanzel klettert, hat vielleicht einen knietief im Tümpel stehenden Storch im Blick. Hier tummeln sich Wiesen- und Wasservögel. Auch eine Herde schwarzer Rinder mit gewaltigen Hörnern. Das „Grünland“ markiert die Zeit zwischen 1920 und 1960, als die letzten Heidereste den Weidenflächen für Milchvieh weichen mussten. Der Wanderer ist beinahe im Heute angekommen.

Schon kurz darauf katapultiert die Landschaft den Besucher wieder um Jahrhunderte zurück: angekommen in der Heide, die die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff 1842 als ziemlich trostlos beschrieb. Wer genau hinsieht, erkennt den ganz eigenen Zauber der Heide. Und für alle, die im August herkommen, legt sie sich sogar mächtig ins Zeug: Die Heide blüht lila. Seit den 1990er Jahren halten weidende Schafe und Ziegen die Landschaft hübsch in Form.

Startpunkt: Bußter Weg / Hamminkeln

Dämmerwald

Wandern auf leisen Sohlen im Naturpark Hohe Mark. Zwischen uralten Buchen und mächtigen Eichen, meterhohem Adlerfarn und einem dichten Teppich blau lockender Waldheidelbeeren. Auf weich federnden Pfaden, die mal ausladend, mal versteckt gewunden durch die Wildnis des Dämmerwalds führen. Ganz anders als sein Name vermuten lässt, ist er oft lichtdurchflutet, überrascht mit blütengesprenkelten Waldwiesen und einem leise plätschernden Bach im tief gegrabenen sandigen Bett. Ein Chor melodischer Vogelstimmen und das unverkennbare Hämmern des Spechts begleiten Wanderer auf dem Weg durch das großartige Naturschutzgebiet.

Zunächst ist die Landschaft leise und geordnet, schon bald erscheinen neue Akteure auf der Bühne. Umgestürzte Bäume, seit langer Zeit sich selbst und den unscheinbaren Bewohnern des Waldes überlassen: dick mit Moos bewachsen, Risse in der Rinde von winzigen Pilzen erobert, wer ganz nah kommt und Geduld mitbringt, beobachtet wie sich Tausendfüßer ins morsche Holz bohren. Ein Rascheln im Unterholz – Vielleicht eine Blindschleiche oder eine Waldeidechse? –, Vogelstimmen, die anschwellen.

Wald wechselt mit Wiesen, die von allerlei namenlosen Blumen gesprenkelt sind. An ihren Säumen schimmert es sumpfig. Dort findet der kleine, seltene Moorfrosch idealen Lebensraum. Zwar lässt er sich selten blicken, hören kann man ihn hingegen oft. Zur Laichzeit zwischen März und April färbt sich der Moorfrosch intensiv blau und ist leichter zu entdecken.

Zurück im Wald darf der Blick öfter einmal auf den Boden fallen. Über einen schmaler werdenden Pfad, der sich im schönem Auf und Ab windet, kriechen knorrige Baumwurzeln. Die Vegetation wird dichter. Riesenhafter Adlerfarn erzählt davon, dass der Wald an dieser Stelle sehr alt sein muss. Wilde Brombeeren haschen mit ihren langen Ranken und zarte Kletten heften sich an. Wer mit Kindern unterwegs ist, kann hier sehr anschaulich erklären, was sich der Mensch in der Natur abgeschaut hat. Mit einer Lupe in der Tasche werden für kleine Wanderer aus winzigen Widerhaken faszinierende Studienobjekte!

Startpunkt: Wanderparkplatz Teufelsstein / Malberger Straße 105 / Schermbeck

Schwarzes Wasser

Wie Finger greifen die Kronen alter Kastanien ineinander und formen ein lichtes Dach über der kurzen Allee. Ihre Früchte schütteln die Bäume schon ab. Es wird Herbst und die stacheligen Hülsen fallen zuhauf auf den Waldboden.

Die Allee ist nur Auftakt. Zur Linken grasen braunbunte Kühe auf den immergrünen Wiesen, rechts stehen die Bäume dicht an dicht. Eichen jetzt. Sonnenstrahlen dringen leicht durchs Geäst und bis auf den farnbewachsenen Boden. Hier ist es immer hell. Nur das Wasser, das bleibt dunkel.

Noch ist es versteckt. Für den Blick auf den Weiher muss man den Wall hinauf. Der Weg ist weiß und sandig, das Schwarze Wasser in eine Dünenlandschaft eingebettet. Armdicke Wurzeln kriechen über den Pfad. Flora und Fauna am Schwarzen Wasser ist ein Miniaturgewimmel: bunt schillernde Sandlaufkäfer flitzen umher, Heideblüten werden von Tagfaltern umschwirrt, über dem Wasser stehen Libellen. Aus der Ferne tönt ein Klopfen im Holz. Der Specht lässt sich nicht sehen, aber im Wasser ziehen Zwergtaucher, die an ihrem runden Kopf und dem kurzen Schnabel gut zu erkennen sind, ihre Bahn.

Startpunkt: am Ende der Straße Kanonenberge / Wesel

Uedemer Hochwald

Abschalten und die Geräuschkulisse des Alltags hinter sich lassen? Am besten im Wald. Je dichter und größer, umso stiller wird es zwischen alten und jungen Baumriesen. Ein dichter, ganz stiller Wald, ist der zwischen Uedem und Xanten. Hochwald heißt er. Immerhin geht es hier bis auf 87 m hinauf.

Im Unterholz wippendem Farn. Efeu erobert saftige Stämme, Moos und Baumpilze altes Holz. Sonnenstrahlen lassen die goldenen Blätter der alten Buchen leuchten und an zarten Zweigen hängen glitzernde Regentropfen. Der Waldboden verschluckt jeden Schritt. Mitunter ist er morastig. Bei den winzig kleinen Tümpeln, die den Pfad säumen, leben Bergmolche, Erdkröten und Grasfrösche. Hinhorchen, schauen, vielleicht entdecken. Die Lurche sind so gut im Versteck spielen.

Es geht weiter bergan. Abzweige links und rechts ignorieren und immer den großzügigen Windungen folgen. Und den Wegweisern. Schon werden die Stämme der Bäume glatter, dunkler, fast schwarz. Baumkronen werden knorriger, wie von der Windsbraut zerzaust. „Naturwaldzelle“ steht auf einem Schild. Hier ist der Wald also ganz sich selbst überlassen, wächst, wie er will und bringt erstaunliche Formen hervor. Wer die Ohren spitzt, hört das Holz ächzen. Und sonst nichts. Aber war da nicht ein Klopfen? Im Stakkato ein Echo aus der Ferne. Es verrät einen fleißigen Zimmermann, in dessen Höhlen sich auch andere Waldtiere wohl fühlen: Im Uedemer Hochwald leben seltene Schwarzspechte.

Startpunkt: Wanderparkplatz Hohe Ley / Marienbaumer Straße / Uedem

Wacholderheide an den Loosenbergen

Irgendwo zwischen Dämmerwald und Lippeauen liegt die Wacholderheide. Gut versteckt im Naturschutzgebiet bei Drevenack. Umschlossen und geschützt von einem Holzgatter, das auch die Heidschnucken, die hier Landschaftspflege leisten, hindert, auszubüxen.

Der Boden ist trocken und sandig. Pfade führen im leichten Auf und Ab durch das Gebiet. Am Boden blüht im Spätsommer die Heide in freundlichem Rosa. Dort, wo die Kronen knorriger Hudebäume ihre Schatten werfen, fehlt ihr Leuchten: Es ist zu feucht und zu kühl. Stattdessen kriechen hier Moose wie ein weicher Teppich über Äste und abgestorbenes Holz. An Stämmen wachsen seltsam geformte Pilze. Grimms Märchen lassen grüßen.

Unter den zarten Duft des Heidekrauts mischt sich ein intensiv würziger: Wacholder. Die Zypressenart, die hier meterhoch mal einzeln, mal in dichten Gruppen wächst, tupft ein kräftiges Grün in die Landschaft. Ihre reifen Zapfen, die man für Beeren halten möchte, schmecken getrocknet nicht nur lecker zu Sauerkraut oder Braten, aus ihnen wird auch Gin hergestellt. Im Naturschutzgebiet darf man sie nicht pflücken.

Startpunkt: Wanderparkplatz Loosenberge West / Hünxe

Bislicher Insel

Eine Insel, die keine ist. Vielmehr bezeichnet die Bislicher Insel eine Auenlandschaft, durchzogen von Wasserflächen, die einst durch Kiesabbau entstanden sind, sowie Altgewässern, etwa dem Nebenarm des Rheins. Heute sind die Auen wieder sich selbst überlassen, werden bei Hochwasser regelmäßig überflutet und bieten Lebensraum für seltene Flora, Wasservögel und sogar Biber.

Im Herbst ist schon von weitem das Schnattern zu hören. Die Wildgänse sind da. Nicht immer gern gesehene Gäste, fressen sie doch tagsüber das Saatgut von den Äckern, um sich mit ausreichend Energie zu versorgen. Im Braun der gepflügten Erdscholle sind sie zuerst schwer zu erkennen. Bald zeigen sich Sprenkel von Weiß. Ihre Bewegung verrät die Gänse. Grandios, wenn sie sich schließlich in Schwärmen in die Luft erheben, nur, um sich ein paar Meter weiter erneut niederzulassen. Das Weidevieh erträgt das Spektakel mit stoischer Gelassenheit.

Kurz vorm Naturforum, das für Besucher jede Menge Informationen rund um das Schutzgebiet bereithält, zweigt ein schmaler Pfad rechts ab. Und schon ist man wieder mittendrin. In der Stille. Denn hier geben die scheuen Wasservögel den Ton an. Wer nicht selbst ein versierter Vogelkundler ist, trifft ganz bestimmt auf einen redseligen Experten in einer der drei Beobachtungshütten an den Kolken. Einfach innehalten, darauf warten, dass der Eisvogel seine bunten Federn spreizt oder Kormorane anmutig nach Nahrung tauchen. Enten, und Schwäne gleiten still dahin und zeichnen Kreise in die Wasseroberfläche. Wer sich Zeit nimmt und einen Feldstecher dabeihat, entdeckt unzählige Details. Entschleunigung pur!

Startpunkt: RVR Naturforum / Bislicher Insel 11 / Xanten

In der Üfter Mark

Eine Sinnesreise durch den Wald unternehmen. Das kennt man. Bewusst einatmen, die vielen, würzigen Gerüche tief in die Lunge einsaugen. Die Augen erfreuen sich am Spiel aus Licht, Schatten und Farben. Und wer geduldig ist, unterscheidet in der Stille bald das Rascheln von Igeln im Laub, das Hämmern von Spechten und melodischen Vogelgesang.

Aber wie fühlt sich der Wald eigentlich unter den Füßen an? Am Rand der Üfter Mark kann man es herausfinden. Schuhe aus, Strümpfe aus und mit den Füßen vorsichtig den Waldboden ertasten. Der Pfad ist hier von Kiefernnadeln bedeckt. Ein Fußabdruck aus Holz weist die Richtung. Auch eine Bodenplatte. „Baummarder“ ist dort zu lesen. Darüber der Abdruck einer Pfote.

Hoch und licht ragen die Kiefern in den Himmel. Ihre Nadelbüschel breiten sich wie kleine Fächer aus. Auf dem Boden wird es sandig. Knorrige Wurzeln schlängeln sich über den Pfad. Dort stapelt sich geschlagenes Holz. Es liegt wohl schon länger dort. Etwas weiter eine Gruppe glatt polierter Baumstämme zum Balancieren. Hält sich der nackte Fuß auf dem Rund der Stämme?

Bald greifen die Kronen der Bäume enger ineinander und Kiefern weichen dichterem Nadelgehölz. Die Luft wird frischer, feuchter. Der Pfad ist von Moos gesäumt. Sogar die zerfurchten Baumrinden sind moosbewachsen. An ihrer Nordseite. Dorthin gelangen die Sonnenstrahlen nie.

Wieder Bodentafeln: Keiler, Hirsch, Fuchs … Sehen lässt sich keines der Tiere. Aber das durchdringende Klopfen im Holz verrät einen anderen Waldbewohner: den Specht. Eine Spur im jetzt tiefen, weichen Sand entpuppt sich als Hufabdruck. Pfützen vom letzten Regen machen den Untergrund morastig. Auf den winzigen Blättern der Bodendecker glitzern Wassertropfen.

Der Weg ist ausgetreten. Eben ist er aber nicht. Wer ihn bewusst erwandert, meistert ihn leicht. Jetzt dringen nur noch wenige Sonnenstrahlen bis auf den Boden. Denn auf dem letzten Stück wird der Ameisenpfad von mächtigen Eichen flankiert. Und dann, viel zu früh eigentlich, öffnet sich das Blätterdach und entlässt die Wandernden wieder am Startpunkt.

Startpunkt: Wanderparkplatz Nottkamp 5 / Schermbeck.

Wandern nach Knoten

Seit Frühjahr 2020 verfügt die Stadt Wassenberg über ein Knotenpunktnetz für Wanderer. Es verbindet mehr als 85 Kilometer Wanderwege, die sich über 66 Knotenpunkte zu individuellen Etappen verknüpfen lassen und folgt damit der Systematik der bereits länger etablierten Radknotenpunkte. Das bedeutet maximale Flexibilität und Orientierung bei minimalem Planungsaufwand. Alle Knotenpunkte sind gut sichtbar nummeriert und in beide Wanderrichtungen mit Pfeilen versehen. Sie schließen grenzüberschreitend an das Wandernetzwerk im limburgischen Roerdalen an und unterscheiden die Wegetypen „(halb) befestigt“ – barrierefrei –, „unbefestigt“ und „Stiefelwege“. Auf den mitunter matschigen Stiefelwegen ist man am besten in robusten Wanderschuhen unterwegs.

Sechs offizielle Startpunkte mit Infotafeln und Übersichtplänen bieten einen Einstieg. Start kann jedoch auch jeder Knotenpunkt sein. Ausführliche Informationen gibt es im Naturpark-Tor Wassenberg oder online.

Der Natur zuliebe

Die niederrheinische Landschaft ist vielgestaltig, mancherorts robust, andernorts sehr verletzlich. Wer sich neugierig, dennoch achtsam in der Natur bewegt, nichts zurücklässt, außer Fußspuren, der wird schönste Erinnerungen sammeln.

Viele Wanderwege verfügen über eine Wegstreckenmarkierung. Alternativ bieten sich Wander-Apps als Begleiter auf dem Smartphone an. Wer einmal keinen Empfang hat und sich verläuft, geht bis zur nächsten erkennbaren Wegmarke zurück. Andernfalls gilt: Bei Gabelungen immer die breiteren oder besser ausgebauten Wege einschlagen. Sie führen in der Regel aus dem jeweiligen Wandergebiet heraus. Bitte immer auf den ausgewiesenen Wegen bleiben!

Jahreszeiten im Blick

Wer sich mit lokalen Besonderheiten vertraut macht, hat gute Chancen auf ganz besondere Naturerlebnisse: Wann treten Flüsse über die Ufer, wann erwachen ihre Auen zum Leben? Wann blüht die Heide in den Loosenbergen? Wann und wo lassen sich Zugvögel auf ihrer Rast oder im Winterquartier – etwa der Bislicher Insel – beobachten? Brutgebiete von Vögeln unbedingt meiden: Viele Arten sind Bodenbrüter und würden auf ihrem Gelege gestört. Auskunft zum Thema gibt etwa die NABU-Naturschutzstation Niederrhein.

Auf leisen Sohlen

Sich leise in der Natur bewegen und auch einmal innehalten, um zu beobachten, wird belohnt: Wenn dann scheue Tiere wie Rehe vorsichtig den Pfad kreuzen oder ein einsamer Fuchs, wenn man im Geäst, auf Wiesen und in Flussauen Sing- und Wasservögel erspähen kann, wenn Eidechsen, die sich auf Steinen sonnen und Frösche auf Seerosenblättern ins Blickfeld rücken. Auch die kleinsten Bewohner von Feld und Flur werden sichtbarer: Schmetterlinge, Libellen, schillernde Käfer. Natürliche Stille animiert die Sänger des Waldes oft zu ihren stimmungsvollen Konzerten. Bitte jedoch niemals einem Tier nachstellen!

Alte Wetterweisheiten

Gut zu wissen und oft zutreffend: alte Wetterweisheiten. So verspricht ein nebelgrauer Morgen dem Wanderer gutes Wetter für den Tag. Glüht der Himmel morgens hingegen rot, ist meist Schlechtwetter im Anzug. Schwalben im Tiefflug signalisieren Gewitter und auch Ameisen verkriechen sich, wenn Regen droht. Selbst an Pflanzen lässt sich das Wetter ablesen: Silberdisteln öffnen sich nur bei Schönwetter, bei drohendem Regen lässt Sauerklee seine Blütenköpfe hängen und Birken duften dann besonders stark.

Die richtige Kleidung

Regenschutz und gutes Schuhwerk sind die Basics. Darüber hinaus die Kleidung der Jahreszeit entsprechend wählen. Idealerweise bei unbeständigem Wetter mehrere Schichten übereinander tragen, die sich bei Temperaturschwankungen schnell anpassen lassen. Eine Kopfbedeckung kann Wärme- und Sonnenschutz zugleich sein.

Schutz gegen Sonne, Zecken und Mücken

Ausreichender Sonnenschutz sollte bei keiner Unternehmung in der Natur fehlen. Auch Mückenschutz besonders in Gewässernähe sowie Zeckenschutz in Wald und Wiese sind wichtige Begleiter beim Aufenthalt in der Natur.

Proviant

Auf Wanderungen dürfen ausreichend Wasser und Proviant im Rucksack nicht fehlen. Der Körper ist aktiv, arbeitet und verliert durch Schwitzen selbst bei leichten Wanderungen Flüssigkeit. Obst und Trockenfrüchte, Nüsse und belegte Brote sind dann hervorragende Energie-Booster und stilles Wasser der ideale Durstlöscher. In umweltfreundlichen Mehrwegflaschen und -boxen ist alles gut aufgehoben. Etwaigen Verpackungsmüll bitte wieder mit nach Hause nehmen.

© Text, Fotos: Jutta M. Ingala

Neugierig geworden auf den Niederrhein?
Mehr kulturelle und kulinarische Highlights auf Stadt.Land.NIEDERRHEIN.

Der Artikel ist Bestandteil des ReAct-Projektes „Stadt. Land. NIEDERRHEIN.“ Dieses Projekt wird als Teil der Reaktion der Europäischen Union auf die COVID-19-Pandemie gefördert.

Inhalte dieser Veröffentlichung spiegeln ausschließlich meine eigene Meinung. Herzlichen Dank auch an Niederrhein Tourismus GmbH für die Zusammenarbeit.

10 Gedanken zu “Wandern am Niederrhein

  1. Deine Texte lesen sich immer so schön, liebe Jutta!
    Auf den Premiumwanderwegen war ich schon unterwegs. Im Elmpter Schwalmbruch war ich. Den finde ich ganz toll. Weiter nördlich, Wesel und so, war ich noch nicht. Klingt aber auch schön und die Fotos machen echt Lust auf einen baldigen Ausflug.
    Viele Grüße von
    Sabine

    • Hallo, Sabine, das freut mich aber! Der nördliche Niederrhein lohnt unbedingt, vor allem, weil der Rhein dort so schöne Schleifen zieht und du in den Altrheinarmen und den Rheinauen eine ganz besondere Flora und Fauna antriffst. Im Spätsommer die Heideblüte nicht verpassen. Für alle Sinne: Farbe und Duft! Lieben Dank fürs Mitlesen, sonnige Grüße, Jutta

    • Lieben Dank! Puh, ganz schwierig … Ich glaube das Galgenvenn. Da geht es so dramatisch auf und ab und über die Grenze. Und den Elmpter Schwalmbruch. Ich mag auch die Heide an den Loosenbergen sehr und der Dämmerwald ist so schön verwunschen. Am besten, du probierst sie alle aus! Herzlich, Jutta

  2. Hallo Jutta, schön, wieder von dir zu lesen!
    Der Niederrhein also. Da weiß ich wirklich nicht, wo der denn ist. Die Bilder sind voll schön. Wenn ich es herauslese, können sich hier auch Sonntagswanderer eine gute Zeit machen? Wir haben uns vorgenommen, demnächst nach Xanten zu fahren. Dort möchten wir gern den archäologischen Park besuchen. Das ist ja am Niederrhein. Vielleicht verbinden wir es einfach mit einer tollen Wanderung, Gibt es Routenbeschreibungen?
    LG, Steffi

    • Hallo Steffi, manchmal braucht es einen Schaffenspause, weil andere Dinge wichtiger werden. Also, ab Kreis Heinsberg bis hinaus in den Kreis Wesel. Meist linksrheinisch und für meinen Geschmack auch gerne grenzüberschreitend – auch wenn es offiziell natürlich nicht so ist :) Die Touren sind meist auch für ungeübte Wanderer komfortabel. im Naturpark Schwalm-Nette gibt es die ein oder andere Herausforderung. Touren der Premiumwanderwege findest du auf der Website http://www.npsn.de Die übrigen Wanderwege haben Markierungen und sind ganz sicher auch auf Komoot oder Outdooractive hinterlegt. Der archäologische Park ist unbedingt sehenswert. Morgen wird es hier einen Artikel über die Römer am Niederrhein geben. Freut mich, dass du hier Inspiration gefunden hast! Herzlich, Jutta

  3. Hallo Jutta,

    schön, daß Dein Blog wieder ein Update hat. Deine zehn Beschreibungen zeigen einem einmal wieder, was man von Deutschland leider überhaupt nicht kennt und leider auch meist nie zu sehen bekommt. In dieser Ecke Deutschlands war ich bisher noch nie. Die Fotos passen wie immer perfekt zu Deinen einzelnen Berichten. Und beim Lesen hört man förmlich den Specht beim Hämmern 😊.

    Viele Grüße und alles Gute
    Winfried

    • Hallo, lieber Winfried, und wie ich mich freue, von dir zu lesen! Es sind nicht die großen, spektakulären Landschaften am Niederrhein, vielmehr kleine, verborgene Schönheiten. Die Premiumwanderwege im Naturpark Schwalm-Nette sind ganz große klasse. Dort gibt es längere Wanderstrecken. Andernorts – wie um Wesel, Xanten oder Uedem oder aber entlang der Niers – kann man oft einzelne Gebiete miteinander verbinden. Ich liebe ja Heidelandschaften: Den sandigen Boden, den gewellten Grund, das Lila im Spätsommer. Das hat was. Dort, wo du keinen gewaltigen Berggipfel vorfindest oder das Meer, nimmst du die Details viel bewusster wahr und das mag ich sehr. Nimm den Niederrhein gern auf deine Reise-Agenda. Kennst du eigentlich mein Buch „52 große & kleine Eskapaden am Niederrhein“? Ganz liebe Grüße, Jutta

      • Hallo Jutta, nein bzw. leider nein. Das Buch „52 große & kleine Eskapaden am Niederrhein“ kenne ich nur vom Titel her, aber nur wenn „große und kleine“ vertauscht werden😊 . Die beiden anderen Bücher von Dir „52 kleine & große Eskapaden im Osten der Niederlande“ und „Glücksorte in Island“ sind jedoch in meinem Besitz. Und die fand ich beide sehr gut! Insbesondere letzteres, da ich viele dieser „Glücksorte“ ja auch selbst kenne.

      • Hallo, lieber Winfried, da hast du mich aber! Kenne meinen eigenen Buchtitel nicht : ) Schön, dass dir die beiden Holland-Bücher gefallen. Sende sonnige Grüße, Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

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