Weltkulturerbe und andere Hinterlassenschaften | … enthält Werbung
Bis an Rhein und Lippe sind sie gekommen, die Römer auf ihrer Expansion gen Norden. Dabei haben sie zahlreiche Spuren hinterlassen. Und manche Annehmlichkeit. Aquädukte etwa, für die Frischwasserversorgung über weite Strecken, auch Warmwasserleitungen und Bäder sind geschätzte römische Erfindungen. Selbst Meilensteine, die frühen Orientierungspunkte, und die Münzherstellung brachten die Römer an den Niederrhein. Doch wer hätte gedacht, dass sogar Walnüsse und Kastanien, Birnen und die zwischen Heinsberg und Wesel so weit verbreiteten Äpfel römische Hinterlassenschaften sind?

Den Spuren der Römer folgend entlang der Lebensader Rhein, der natürlichen Grenze zwischen dem einst römischen und germanischem Gebiet, die seit 2021 als „Niedergermanischer Limes“ Teil des UNESCO Welterbes ist, neue Orte entdecken und bekannte Orte mit anderen Augen sehen.

Der Archäologische Park in Xanten
Er gilt heute als ein mustergültiges Konzept der musealen Präsentation moderner Forschungsergebnisse: der LVR-Archäologische Park in Xanten, kurz APX. Seit 1977 auf dem Gelände der Colonia Ulpia Traiana errichtet und beständig erweitert, vermittelt die aufwendige Rekonstruktion eine äußerst spannende Vision des römischen Alltags. Nach Köln und Trier war die Colonia drittgrößte römische Stadt nördlich der Alpen. Vermutlich waren die heute rekonstruierten, imposanten Säulen des 27 Meter hohen Hafentempels das erste, was man vom Rhein kommend von der Colonia sah. Die Fundamente des Tempels und andere Überreste der Stadt liegen sicher geschützt im Boden. An ihnen wird mit immer neuen und verfeinerten Methoden geforscht. Über Ausgraben und Forschungserkenntnisse können sich Besucher im architektonisch mutigen Museum im Park informieren. In Resonanz mit römischen Bauten verzichtet das LVR-Römer Museum auf durchgehende Geschosse, was dem Gebäude eine erhabene Aura verleiht. Besucher haben über von der Decke abgehängte Rampen barrierefreien Zugang zur Ausstellung. Imposant sind die Überreste eines Schiffes, das ebenfalls „frei“ im Raum schwebt. Ein verwinkelter Anbau aus Glas und Stahl überspannt die freigelegten Fundamente der einstigen monumentalen Therme mit ihren verschiedenen Wasserbecken und Mosaiken, in einer Holzwerkstatt werden römische Schiffe nachgebaut – ein Vorzeigeprojekt im APX. Wie die Römer Textil webten wird ebenfalls erforscht und in einem der Handwerkshäuser an einem Webstuhl veranschaulicht. Das Amphitheater wird immer wieder zur Bühne römisch inspirierter Veranstaltungen.



Im Jahr 387 v. Chr. sollen die heiligen Gänse der Göttin Juno die Bewohner Roms durch lautes Geschnatter geweckt und vor den herannahenden Kelten gewarnt haben. Soweit der Geschichtsschreiber Livius. Tatsächlich werden Gänse seit der Antike gerne als Wachtiere eingesetzt. Wer das Schnattern der angriffslustigen Vögel kennt, weiß warum.
Der Niedergermanische Limes
Die meisten Spuren des Limes – der Grenze des Römischen Reiches – liegen unter der Erde. Spaziergänger ahnen oft nicht, was ihnen zu Füßen liegt. Als die Römer im 1. Jahrhundert vor Christus ihren Blick gierig auf den heutigen Niederrhein richteten, um über die Lippe ins rechtsrheinische Germanien vorzudringen, errichteten sie unter Kaiser Augustus auf dem nahe bei Xanten gelegenen Fürstenberg – mit 71,6 Metern Höhe eher ein Hügel, aber durchaus zweckdienlich – das Legionslager Vetera Castra. Mit der Varusschlacht im Jahr 9 nach Christus wurden die Expansionspläne der Römer gen Osten zerschlagen. Fortan markierte der Rhein die Grenze des römischen Imperiums.
Seit Juli 2021 gehört der Niedergermanische Limes zum Welterbe der UNESCO. Die so geadelte, mit dem Rhein von Rheinland-Pfalz bis ins niederländische Katwijk mäandernde Grenzlinie, erstreckt sich über 400 Kilometer und setzt sich aus 44 Teilabschnitten zusammen. Sie erzählen von 400 Jahren römischer Entwicklung im Norden des einstigen Imperiums.
Spannende Orte, um mehr über die Hinterlassenschaften der Römer zu erfahren, sind etwa das Clemens Sels Museum in Neuss und das Kulturzentrum Sinsteden in Rommerskirchen mit römischen Exponaten und das Museum rund ums Geld in Xanten-Wardt. In Übach-Palenberg wurde 1992 ein römisches Badehaus an der einstigen Römerstraße „Via Belgica“ rekonstruiert. Im Gebiet der historischen Fernstraße sind thematische Rad- und Wanderwege angelegt. Wer in großartiger Waldkulisse auf den Grenzspuren der Römer wandeln möchte, hat dazu etwa im Uedemer Hochwald oder im Klever Reichswald Gelegenheit.









Neue Esskultur
Was wenige vermuten, aber die meisten von uns genießen: Äpfel, Birnen, sogar Kirschen und auch Walnüsse und Edelkastanien gehören zu den genussvollen Hinterlassenschaften der Römer am Niederrhein. Die Römer hatten das Geschick, Verwaltung, Kultur und Sprache in ihren Provinzen, wenn nicht zu vereinheitlichen, so doch stark zu beeinflussen. So geschehen auch mit Essgewohnheiten. Kastanien wurden von den Römern vor allem wegen ihres schnellwachsenden und harten Holzes angebaut. Während die Frucht von den Römern „Brot der Armen“ genannt wurde, gilt sie uns als echte Delikatesse.
Heute ist die Stadt Tönisvorst berühmt für ihre Apfelplantagen. Während der Blütezeit eine Sinnesreise. Obstplantagen im kleineren Stil gibt es jedoch überall am Niederrhein. Oft in Verbindung mit Hofläden, wo Obst oder auch Säfte aus eigener Herstellung verkauft werden.
Wer herausfinden möchte, wo es am Niederrhein gute Stellen zum – erlaubten – Pflücken von Obst, Walnüssen oder Kastanien gibt, kann danach auf Mundraub.org suchen. Und im besten Fall später zuhause Maronen rösten oder einen Apfelkuchen aus den selbst gepflückten Früchten backen.






© Text, Fotos: Jutta M. Ingala
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Der Artikel ist Bestandteil des ReAct-Projektes „Stadt. Land. NIEDERRHEIN.“ Dieses Projekt wird als Teil der Reaktion der Europäischen Union auf die COVID-19-Pandemie gefördert.
Inhalte dieser Veröffentlichung spiegeln ausschließlich meine eigene Meinung. Herzlichen Dank auch an Niederrhein Tourismus GmbH für die Zusammenarbeit.
Hallo, Jutta,
die Kastanien-Nuss-Obst-Geschichte finde ich interessant. Das habe ich nicht gewusst. Ich mag Nüsse und besonders Maronen wirklich gern. Maronen sind im Geschäft oft so teuer („Brot der Armen“ !), da habe ich schon oft überlegt, ob ich irgendwo welche sammeln kann. Danke für den Tipp!
Viele Grüße
Leni
Kleiner kultureller Auftrag, liebe Leni, ich habe es vor der Recherche auch nicht gewusst! Sammeln von Obst und Nüssen oder auch Pilzen und Kräutern für den Eigenbedarf – dort, wo es erlaubt ist -, finde ich sehr entspannend. Ich wollte immer schon einmal mit einem Pilzkenner in den Wald. In Wesel-Schermbeck gibt es eine Dame, die Workshops rund um Wildkräuter und andere spannende Themen anbietet: Jutta Becker-Ufermann vom „Appelbongert Un-Kraut“ / appelbongert-un-kraut.de Vielleicht ist das etwas für dich? Herzliche Grüße, Jutta