Nur ein Katzensprung [Niederlande]

… ist es bis nach Holland. Ein, zwei Kilometer von meiner Haustür bis zur Grenze. Plus, minus. Wer nimmt das schon so genau? Wer hier im Achterhoek aufgewachsen ist weiß ohnehin, dass die Uhren jenseits der Grenze anders ticken. Das Leben scheint ein wenig bunter, unbeschwerter, das Lachen ist lauter. Und das macht Holland für mich so anziehend.

Nature Rewired Kaninchen
Genau genommen gehört meine beschauliche Heimatstadt natürlich nicht dazu. Nicht zum Achterhoek, nicht zu Holland. Und genau genommen ist das dort drüben auch nicht Holland: Es sind die Niederlande. Aber nicht wahr? Wir nehmen es eben nicht so genau. Denn wir möchten uns ankuscheln, dazu gehören, ein wenig von dem mitnehmen, was wir zuhause vermissen. Auch, wenn das mit dem Vermissen eigentlich nur Einbildung ist.

Museum Het Valkhof
Im Sommer radeln wir in schöner Regelmäßigkeit über die Grenze, eine traumhafte Allee entlang bis ins lebhafte Winterswijk. Dort gibt es Kunst und Kaas, Lakritze süß, sauer, salzig. Dinge, die so herrlich anders sind als bei uns. Ja, auch die Kunst! Es ist einfach nett bei unseren Nachbarn.

An diesem ersten Sonntag im neuen Jahr sind wir auf vier Rädern unterwegs. Damals, als es noch Grenzposten gab, war das so eine Sache: Wer mit dem Wagen zwischen hüben und drüben pendelte, musste sich einen Blick in den Tank gefallen lassen. Denn der Sprit war in Holland um einiges billiger. Wer schmuggelte, zahlte Zoll. Doch das ist lange her.

Nature Rewired
Heute passieren wir die ehemalige Grenzstation unbehelligt. Ein Schausteller mit recht eigenwilliger Vorstellung von Gartengestaltung ist hier eingezogen. Auch er macht sich das Leben im Grenzgebiet ein wenig bunter. Wir lassen Winterswijk hinter uns, nehmen die Autobahn* und erreichen ein kurzweiliges Stündchen später Nijmegen. Geschichtsträchtige Stadt an der Waal, Limes des römischen Reiches. Im Mittelalter hatte hier die Hanse das Sagen.

Aber die Geschichte interessiert mich heute nur am Rande. Ich will mich auf die Moderne einlassen. Konkret: auf Mensch und Maschine in „Nature Rewired“, der aktuellen Ausstellung im Museum Het Valkhof. Kinetische Figuren des niederländischen Künstlers Christiaan Zwanikken. Motorisierte Schädel, Skelette, ausgestopfte Kaninchen. Elemente aus Natur und Technik, morbide, aber „rewired“: Mit neuem „Leben“ ausgestattet und in einen neuen Kontext gesetzt. Unlängst habe ich bei Simone darüber gelesen, mich inspirieren lassen. Nun stehe ich mittendrin.

Nature Rewired IVNature Rewired IIIFaszinierend die Synthese aus Technik und Natur, die nackten Knochen und kühlen Zahnräder, die sich in skurriler Choreographie im Takt der Steuerung bewegen, das Surren der Mechanik und das spröde Krächzen aus verkabelten Lautsprechern. Vogelwesen und Saurier, ein Schlitten mit Hundeschädel und ein Esel in der Tretmühle des Alltags. Dynamisch, ironisch, poetisch. Kunst in Bewegung. Jean Tinguely, Altmeister der Kinetik, hätte seine Freude an Zwanikkens Maschinenwesen gehabt.

Während ich mich ganz und gar auf das fantasievolle Skulpturenkabinett einlasse, hat der Mann – ungeduldig wie Männer eben sind – schon mal den Espresso im Erdgeschoss getestet. An dessen Qualität muss Het Valkenhof jedoch noch arbeiten. Nun ja. Nach „Nature Rewired“ braucht auch unser Gaumen Inspiration.

Coffyn
Scones und Tee im Coffyn
Im Coffyn, einem gemütlichen Café mit Aussicht auf die Waal, finden wir schließlich wonach wir suchen. Hier gibt es nicht nur eine gute Auswahl fair gehandelter Tee- und Kaffee-Spezialitäten, sondern auch hausgemachten Kuchen, Scones & Co. Außerdem ein tolles Konzept: Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten im Coffyn im Team. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre, man sitzt an kleinen, intimen Tischen oder an der geselligen Gemeinschaftstafel mit Blick auf den Fluss.

Commanderie van Sint JansUntergebracht ist das Café übrigens im ersten Stock eines der ältesten Gebäude Nijmegens, der Commanderie van Sint Jan. Erstmalig erwähnt in 1196 als Unterkunft für Pilger, später Hospital der Johanniter und Akademie – Vorläufer der Universität quasi. Nun haben wir also doch noch unser Quantum Geschichte geatmet!

*Schon mal auf niederländischen Autobahnen unterwegs gewesen? Ein Traum, nicht nur wegen des Tempolimits! Die Niederländer können eben auch das: gute Straßen bauen.

Info:
Museum Het Valkhof | Kelfkensbos 59 |  6511 TB Nijmegen | Niederlande | T 0031 (0)24 360 88 05 | www.museumhetvalkhof.nl | info@museumhetvalkhof.nl

Häufiger in den Niederlanden unterwegs? Inhaber der Museeumkaart genießen im Museum Het Valkhof und rund 400 weiteren Museen freien Eintritt!

Coffyn Koffiehuis & Proeverij | Commaderie van St. Jan | Franseplaats 1 |  6511 VS Nijmegen | Niederlande | T 0031 (0)24 329 47 40 | www.coffyn.nl | info@coffyn.nl

10 Gedanken zu “Nur ein Katzensprung [Niederlande]

  1. Seit ich berufsbedingt ins Münsterland gezogen bin, habe ich natürlich die Nähe zu den Niederlanden schon oft genutzt, um das Land zu bereisen. Als Geograph habe ich mich bereits zuvor intensiv mit dem Land befasst und inzwischen kenne ich bereits jede Provinz aus eigener Anschauung. Winterswijk ist von mir aus gesehen auch die nächstgelegene Stadt der Niederlande (ca. 55 km entfernt), trotzdem bin ich dort bisher noch nie gewesen, aber das kann ich noch nachholen. Nijmegen ist mir auf jeden Fall bekannt, doch als ich das erste Mal dort war, fand gerade die Vierdaagse statt und die Stadt platzte aus allen Nähten. Später habe ich mir dann die Stadt nochmal an einem „ruhigen Tag“ angeschaut.

    Es fällt mir schwer zu sagen, welche Region mir in den Niederlanden am besten gefällt, denn ich finde es dort überall toll. Trotzdem würde ich sagen, dass Nord- und Südholland sowie Flevoland meine Lieblingsprovinzen sind. Und „Holland“ anstelle von „Niederlande“ zu sagen, habe ich mir schon lange erfolgreich abgewöhnt. *g* Gerade in der Provinz Limburg soll man das ja angeblich gar nicht gerne hören.

    Gruß,
    Johannes

    • Hallo Johannes, so ganz genau weiß ich das gar nicht, gut möglich, dass es da Ressentiments gibt! Danke für den Hinweis : ) Ich handhabe es so, wie befreundete „Holländer“ … Winterswijk ist total nett. Ich selbst wohne ja tatsächlich nur einen Katzensprung entfernt und bin immer wieder verblüfft, wie unterschiedlich diese beiden Städtchen sind! Zum Teil sicher dem Zufall geschuldet (bspw. in Bezug auf Gastronomie und Einzelhandel, denn Winterswijk wurde vor 30 Jahren quasi vom Ruhrgebiet entdeckt und boomt seitdem). Aber es gibt einfach einen grundlegenden Unterschied in der Lebenseinstellung der Menschen dies- und jenseits der Grenze. Und die prägt das Ambiente definitiv!
      Wünsche ein tolles Wochenende – vielleicht in Holland? LG, Jutta

      • Vielleicht ist das mit der Bezeichnung „Holland“ für die ganzen Niederlande auch halb so wild, nur die meisten Niederländer würden wohl immer „Nederland“ sagen. Ob man da in Limburg wirklich so allergisch darauf reagiert, kann ich selbst schlecht beurteilen. Es soll wohl auch damit zu tun haben, dass Limburg als Nachzügler erst 1839 an die Niederlande gekommen ist. Andererseits habe ich vor nicht allzu langer Zeit einen LKW einer Spedition gesehen mit der Aufschrift „Venlo – Holland“. Wahrscheinlich, weil die Bezeichnung international einfach gebräuchlicher ist.

        Ansonsten kann ich nur zustimmen, dass man sofort merkt, dass die Niederlande anders als Deutschland sind. Wenn es auch innerhalb der Niederlande wiederum unterschiede gibt. Limburg ist anders als Friesland, Zeeland ist anders als Drenthe usw., aber das macht ja auch den Reiz aus. Ich mache auch gerne einmal größere Touren quer durchs Land, z. B. von Limburg und Brabant nach Texel und über Friesland zurück. Da bekommt man dann einen richtigen Querschnitt zu sehen. Dieses Wochenende werde ich aber nicht in Holland und auch nicht in den Niederlanden sein. *g*

        Dir ebenfalls ein schönes Wochenende, wo auch immer!
        Johannes

    • Hallo Ulrike, freue mich darauf! Wir waren speziell wegen der kinetischen Figuren gekommen. Alles, bei dem man Exponate länger studieren muss und auch die interessanten Begleitinformationen lesen möchte, muss ich allein machen… :/ Mein Mann hat da nicht immer ausreichend Geduld! Liebe Grüße, Jutta

  2. Von der Idee her finde ich die Ausstellung gelungen. Allerdings wäre mir dies zuuuu morbide. Ich würde mich stattdessen lieber in das erwähnte Coffyn setzen.
    Lg, Christina

    • Sicher eine Ausstellung, die polarisiert, was ja grundsätzlich gut ist! Durch die Verkabelung, die Bewegung und den Sound hatten die Skulpturen aber auch etwas Spielerisches. Das Coffyn würde dir sicher gefallen: Leckeres bei schöner Aussicht! Liebe Grüße, Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

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