Drei Farben Blau: Eis [Island]

Nasse Füße sind nie gut. Es sei denn, du läufst barfuß und die Temperaturen bewegen sich (weit) über 0 Grad. Klar, dass ich in Island weder barfuß unterwegs bin, noch dass sich am 1. März die Temperaturen auch nur annährend frühlingshaft anfühlen.

Selbst der steinige Boden der Höhle leuchtet blau
Ich stehe in voller Winter-Montur inklusive wasserdichter (!) Trekkingboots am Strand. Arktischer Ozean. Kleine und große Eisberge vorm Objektiv. Tolle Fotomotive. Die Wellen rollen in sicherer Entfernung aus. Perfekt. Warum ich dann plötzlich bis zum Knöchel im Wasser stehe weiß der Kuckuck! Natürlich sind die Boots nicht wasserdicht (Sollte ich mich beschweren?) … Also raffe ich mein Equipment zusammen und marschiere über den Strand zurück zu Ronnis Wagen wobei es bei jedem Schritt quatscht. Meine dicken Socken haben sich längst voll gesogen, ich stehe im (Eis)Wasser.

Glatt, transparent, mächtig: Eis am Vatnajökull
Sind wir nicht schon in einer halben Stunde für die Eishöhle verabredet? Na toll. Schuhe aus, Socken aus, Heizung an. In 30 Minuten ist da wohl nicht viel zu trocknen. Ein Paar handgestrickte Strümpfe in verdächtigen Braun-Beige-Tönen, die Ronni aus dem nahe gelegenen Shop herbeizaubert (Wie lang die dort wohl schon auf Käufer gewartet haben?), leisten Abhilfe. Weich und warm sind sie. Und tatsächlich machen sie ihrem Ruf auch alle Ehre: Socken, Mützen oder Pullis aus isländischer Schafwolle halten warm und trocken. Zumindest länger als alles, was der Markt sonst so hergibt. Selbst meine Füße in den noch immer feuchten Boots.

Durch eine Öffnung in der Eisdecke plätschtert Wasser herab
Wir können also starten, klettern zusammen mit sechs Dänen, neben denen ich mich ziemlich klein ausmache, in einen monströsen Truck. Dazu brauche ich schon etwas Hilfe. Die Reifen reichen mir bis an den Oberschenkel. Ist das Show oder macht die Lkw-Bereifung auch Sinn?

Nach kurzer Fahrt über die Ringstraße, über die man Island (fast) vollständig umrunden kann, biegen wir auf ein Geröllfeld ab. Geröll und nicht einfach Schotter. Hier liegen schon größere Kaliber herum, über die es unser Fahrer mit den Monster-Reifen – und wahrscheinlich nur mit solchen – aber schafft. Auch für Flussfurten, von denen heute jedoch keine mit Wasser gefüllt ist, braucht man in Island höhergelegte Fahrzeuge mit Allradantrieb. Wer es nicht glaubt, schaut sich die eindrucksvolle Fotoausstellung von Ólafur Elíasson im Reykjavíker Kulturhaus an. Oder besorgt sich das ziemlich gute GEO Special „Island“ von 2012: Auf Seite 42 und 43 gibt es die Beweisfotos im Kleinformat.

10, 15 Meter dick ist die Decke der Eishöhle
Inzwischen haben wir das Geröllfeld durchquert, halten vor „unserer“ Eishöhle. Ein schmutzig graues Loch am Breiðamerkurjökull, einer Gletscherzunge des Vatnajökull. Isländische Namen sind allesamt Zungenbrecher. Da muss man sich nichts vormachen. „Jökull“ heißt übrigens Gletscher und ist eines der einfachen Worte.

Über rund 8.300 Quadratkilometer erstreckt sich der Vatnajökull und ist damit einer der größten Plateaugletscher der Erde. Hat das Gletschereis eine bestimmte Stärke erreicht – rund 30 bis 50 Meter –, beginnt es zu fließen. Durch den hohen Eigendruck taut das Eis, gefriert wieder, passt sich dabei dem unebenen Gelände an und schiebt sich langsam bergab. Hier, am Südrand des Vatnajökull, um rund einen halben bis einen ganzen Meter pro Tag.

Drei Farben Blau ... und Grau
Haarfeine Risse im Eis ...
Auf den ersten 50 Metern komme ich nur stolpernd in der Höhle voran. Der Boden ist uneben, an tieferen Stellen stehen Pfützen. Nach heftigen Regenfällen bildet sich hier ein Fluss. Die Höhle lässt sich dann nur noch im Schlauchboot erkunden.

Heute meint Island es nicht gut mit mir: Ich trete in eine der tieferen Pfützen, spüre wie das Wasser schon wieder in meine Stiefel läuft. Doch noch halten mich die schicken neuen Strümpfe trocken. Auch die Fotos wollen nicht so ganz gelingen. Das, was sich blau leuchtend, glatt und mächtig über mir wölbt, sieht auf meinen Bildern eher blässlich und glanzlos aus.

Je tiefer wir in die Höhle vordringen, desto intensiver wird das Blau. Das Eis ist praktisch frei von Luftblasen und reflektiert den blauen Anteil des Lichts. Seine Oberfläche fühlt sich gut an. Ein Handschmeichler in großzügigen Wellen. Klar wie Glas, nur hin und wieder von feinen Linien durchzogen. 20, 30 Meter dick. Wie viele Tonnen Eis mögen da über mir sein? Ich bin fasziniert. Und ehrfürchtig zugleich. Eine Eiswelt wie aus den Nordischen Göttersagen. Und auch die Fotos zeigen nun, was ich sehe.

Helles Grün am Höhlenausgang
Eishöhlen lassen sich nur im Winter erkunden, wenn die Temperaturen im Inneren konstant unter Null sind. Im Sommer beginnt das Eis zu tauen und wird unberechenbar. Die feinen Linien, die ich sehe, sind Risse, die durch die Bewegung des Gletschers entstanden sind. Tagtäglich werden die Höhlen von erfahrenen Gletscher-Guides auf Sicherheit geprüft. Bewegungen werden aufgezeichnet. Ende März geht die Saison hier schon zu Ende. Ob diese Eishöhle auch im kommenden Winter wieder zugänglich sein wird, weiß niemand. Die Höhlen entstehen und verschwinden wieder. Nicht jede wird entdeckt. Eine schöne Laune der Natur.

Ohne erfahrenen Führer kann der Besuch von Eishöhlen lebensbedrohlich sein. Als Guide für eine Tour kann ich Þröstur von Ice Walk wärmstens empfehlen.

Sein Onkel Ronni hat mir netterweise das Foto Dimensionen: Mensch & Natur zur Verfügung gestellt, das hier in der Bildergalerie zu sehen ist und die Größe der Höhle, die Mächtigkeit des Eises im Vergleich zum Menschen zeigt.

32 Gedanken zu “Drei Farben Blau: Eis [Island]

  1. Hallo Jutta,

    toller Artikel über die Eishöhlen. Die Photos muß ich mir zuhause in Ruhe und voller Größe ansehen, da ich zurzeit (auf der anderen Vulkaninsel Lanzarote) nur ein Smartphone habe.

    Und es stimmt. Es geht nichts über Winterausrüstung von isländischer Schafwolle, ob nun Socken, Handschuhe, Mützen usw. Kann ich voll bestätigen. Vor allem die Socken sind phantastisch und sind wärmer als alles andere. Das weiß man spätestens bei Nordlichtertouren zu schätzen, wenn man Stunden in der Kälte verbringt.

    Anfang Dezember bin ich für 15 Tage in Island, davon 5 Tage in Akureyri. Die Höhlen klingen spannend. Ich habe auch davon gelesen. Weißt Du, ob man sie im Rahmen eines Tagesausflugs von Reykjavík aus besuchen kann? Wahrscheinlich derzeit wohl eher nicht wg. dem aktuell brodelnden Vulkan Bardabunga.

    Viele Grüße
    Winfried

    • Liebe Ulrike, vielen Dank! Manche Motive machen es einem ja einfach, obschon ich in der Eishöhle zuerst meine Schwierigkeiten hatte. Aber nach ein paar Experimenten fand ich die Ergebnisse dann doch ganz gelungen. Die Bilder ersetzen natürlich nicht das Gänsehaut-Gefühl, das man im Inneren so einer Höhle hat! Natur ist einfach grandios! Sonnige Grüße in den Norden, Jutta

  2. unglaubliche bilder. island war schon immer ein traumziel von mir…wer weiss, vielleicht werde ich in den nächsten jahren auf den gleichen spuren wandern…

    danke für die inspiration..

    • Hi Denis, oh, freut mich total! Klar, wenn du schon lange davon träumst, dann wirst du deinen Plan ganz sicher auch in die Tat umsetzen! Von meinem ersten Liebäugeln mit Island bis zur tatsächlichen Reise sind Jahre über Jahre vergangen. Aber das Warten hat sich definitiv gelohnt. Schau bald wieder vorbei, sonnige Grüße, Jutta

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  5. Tolle Bilder!

    Ich war im Sommer eine Woche auf Island und im Winter leider nur drei Tage, das hat nicht für eine Eishöhle gereicht.

    Grund genug wiederzukommen!

    • Nicht wahr? Erst beim Bild von Ronni erkennt man tatsächlich wie groß die Höhle eigentlich ist und wie gewaltig die Eismassen! Freut mich, dass dir die Bilder gefallen! Liebe Grüße,
      Jutta

  6. Sehr schöner Artikel mit atemberaubenden Bildern. Da lohnen sich die nassen Füße für dich und vor allem für uns Leser (wir dürfen zum Glück im Trockenen sitzen).
    Für zukünftige Islandreise(n) irgendwann werde ich mir ein paar selbst gestrickte Wollsocken mitnehmen. ;)

    • Hallo Cristina, Danke! Ja, so ein paar dick gestrickte Socken sind nicht schlecht! Meine kommen auf jeden Fall wieder in den Koffer, wenn es in die Kälte geht. Auch wenn die Farb-Kombi grenzwertig ist : ) Liebe Grüße,
      Jutta

  7. Die Bilder sind einfach nur der Knaller. Ich würde mich sofort jedes an die Wand hängen, ganz ehrlich! Mir gefällt die Bearbeitung sehr, vor allem der starke Kontrast und das tiefe Schwarz mit dem Blau, einfach wirklich toll, wirklich wirklich und ganz ehrlich, die hauen mich weg.

    • Wow, Simon, jetzt bin ICH hin und weg: So ein dickes Lob von jemandem, bei dem ich immer mit glänzenden Augen vor den Fotos hänge! Daaaaanke – freu mich wahnsinnig! Sonnige Grüße über den Teich,
      Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

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