Wo die Nordlichter tanzen [Island]

Es ist ja leider nicht wie im Theater: Du kaufst dir ein Ticket, nimmst Platz und die Show beginnt. Nein, Aurora ist wie eine kapriziöse Diva. Sie tritt nur auf, wann es ihr passt und wo es ihr passt. Ihre Verehrer reisen um die halbe Welt, um sie live zu erleben. Schlagen sich die Nächte in klirrender Kälte um die Ohren. Spielt das Wetter nicht mit, fällt die Show aus. Und selbst eine perfekte Bühne ist kein Garant für ihren Auftritt. Dick eingemummelt für die Nordlicht-Jagd - Foto von Runólfur Hauksson
Drei Anläufe habe ich unternommen, um das Himmelsleuchten, die Polarlichter live zu erleben. Drei Reisen nach Island waren nötig. Und dabei war ich keinesfalls zur falschen Jahreszeit unterwegs. Aber immer am falschen Ort. Die Enttäuschung war – Na ja, wie schon? – groß. Besonders, wenn es morgens hieß, dass in der Nacht zuvor irgendwo über Island die Lichter getanzt hätten. Eben dort, wo der Himmel wolkenlos war. Aurora am 27. Februar 2014 - Foto Runólfur Hauksson
Diesmal, Ende Februar, stehen die Chancen gut. Wir befinden uns gerade auf dem Peak der Sonnenaktivität (ganz unwissenschaftlich unten erklärt). Alle elf Jahre kommt das vor. Über Island tanzen die Nordlichter dann fast jede Nacht … So zumindest stell ich es mir vor. Außerdem bin ich mit Ronni unterwegs, der seit fast acht Jahren auf Aurora-Jagd geht. Und das ziemlich erfolgreich.

Es ist mein erster Tag in Island. Von der Anreise bin ich müde, auch vom Sightseeing in Reykjavík. Und nach dem aufregenden Abend mit Ronnis Freunden im „Sægreifinn“, dem „Seebaron“, einem kleinen Restaurant am Hafen, wo ein ausgestopfter Mann in der Ecke sitzt, wo es die beste Fischsuppe Islands gibt – Probierteller gratis! – und wo mich ein 10-jähriger ganz lässig an die Wand diskutiert, bin ich eigentlich reif fürs Bett. Meine erste Aurora Meine erste Aurora
Ronni sieht das anders. Seine Aurora-App piept unaufhörlich. Günstige Aussichten für die kommende Nacht. Schließlich bin ich deswegen überhaupt hier, oder? „Nacht“ bedeutet „nach Mitternacht“. Es ist erst 22 Uhr. Die Zeit vergeht mit Equipment vorbereiten, Kameraeinstellungen prüfen und dem obligatorischen Rein-in-Thermounterwäsche-Fleecepulli-und-Ski-Klamotten. Wer auf Aurora-Jagd geht, muss sich warm anziehen. Sinfonie am Himmel
CoronaAurora und die Lichter der Stadt vertragen sich nicht gut. Also verlassen wir Reykjavík Richtung Thingvellier Nationalpark, fahren eine Weile die Landstraße entlang. Links und rechts liegt Schnee. Viel ist nicht zu erkennen. Irgendwann passieren wir das Haus des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Halldór Laxness. Island ist ein Volk der Dichter. Und hier hat die Dichtung auch noch nicht aufgehört, Sache aller zu sein. Poesie ist auch das, was als weißer, zarter Schleier am Himmel auftaucht. Obwohl es so gar nicht meiner Vorstellung vom Polarlicht entspricht, weiß ich: Das ist es! Corona
Bei nächster Gelegenheit biegen wir auf einen Feldweg ab. Ich befürchte schon, wir brauchen zu lange, kommen zu spät. Aber der Schleier tanzt, verdichtet sich und beginnt grünlich zu schimmern. Mit bloßem Auge lässt sich das Phänomen leider nicht immer in aller Farbpracht beobachten. Ein wenig Glück gehört dazu. Wir haben Glück. Meine allererste Aurora bewegt sich anmutig, zieht wie ein Sternenschweif über den Himmel, dreht Pirouetten, flimmert grün und ein wenig rot. Ich kann mich nicht erinnern wie lange wir in dieser Nacht in den Himmel geschaut haben. Vielleicht war es eine Stunde, vielleicht waren es zwei. Erst als unsere Finger taub sind, brechen wir auf. Aurora tanzt immer noch. Polarlichter über dem Eyjafjallajökull
In der nächsten Nacht explodiert der Himmel geradezu. Grün, Rot, Pink stürzt es auf uns herab. Eine Sinfonie am Himmel. Wir fahren hinauf auf den Eyjafjallajökull, den Vulkan, der 2010 Island endgültig ins Blickfeld der Welt gerückt hat. Hier oben scheinen wir dem Himmel näher. Und sind ganz allein mit den Sternen und dem Nordlicht. Wer einmal in der Wüste oder hoch oben in den Bergen, weitab von jeder Stadt, in den sternenklaren Himmel geschaut hat, weiß wie wunderschön das ist. Mit Aurora gefühlte 1001 Mal schöner.

Sonnenaktivität?
Ganz unwissenschaftlich – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – erklärt: Bei Eruptionen auf der Sonnenoberfläche werden elektrisch geladene Partikel als mehr oder weniger starker Sonnenwind ins All geschleudert. Die Partikel sind von einem Magnetfeld umgeben. Beim Aufprall auf das Magnetfeld der Erde wandern sie entlang der Feldlinien in Richtung der magnetischen Pole und dringen in die obere Schicht der Erdatmosphäre ein, wo sie auf Gasmoleküle wie Sauerstoff oder Stickstoff prallen. Ihre Bewegungsenergie wird dabei in Licht, die Aurora, umgewandelt. Kollidieren die Partikel mit Sauerstoff leuchten sie grün und rot (häufiger), kollidieren sie mit Stickstoff leuchten sie violett, bisweilen sogar blau (seltener).
Übrigens tritt die Aurora zeitgleich an beiden Polen auf: Im Norden wird sie Aurora Borealis genannt, im Süden Aurora Australis. Sie zeigt sich nur in der so genannten Polarlichtzone, einem Oval, dessen Mittelpunkt der magnetische (nicht der geographische) Süd- bzw. Nordpol ist.

37 Gedanken zu “Wo die Nordlichter tanzen [Island]

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  4. Liebe Jutta,
    also Deine Fotos sind wirklich spektakulär!! Ich war letztes Jahr in Finnisch-Lappland, eben auch zum Nordlichter schauen wegen der hohen Sonnenaktivität… es hat auch geklappt, an einem Abend durften auch wir Zeuge dieser Lichtershow werden, allerdings waren die bei uns nicht mal halb so stark und farbig wie auf Deinen Fotos… trotzdem, ein Anfang ist gemacht und in zehn Jahren werde ich wohl noch einen Anlauf wagen! :)
    Liebe Grüße
    Melanie

    • Aw, danke, Melanie! Ich denke auch in diesem Winter hat man noch ganz gute Chancen! Aurora Hunting in Finnland – oder überhaupt in Skandinavien – fände ich auch sehr reizvoll: Hast du da etwas auf deinem Blog? Ich hatte wirklich Glück, habe die Lichter in drei aufeinanderfolgenden Nächten gesehen. Am 27. Februar (aus dieser Nacht stammen die Bilder mit den „Gardinen“) waren Nordlichter sogar in Deutschland sichtbar. Aber ich glaube, dass viele Menschen sie gar nicht als solche erkennen. Manchmal sieht man mit bloßem Auge ja tatsächlich nur einen weißen Schleier und die schönen Farben werden erst auf dem Foto sichtbar. Am 27, ist der Himmel wirklich explodiert, so dass wir auch ohne Blick durchs Objektiv alles super gut beobachten konnten. Ich war richtig glücklich in dieser Nacht. Man wird andächtig, staunt wie ein kleines Kind. Und ich würde sie gerne noch einmal sehen, die Nordlichter! Jutta

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    • Danke, Nicole! Dafür, dass es meine ersten Nordlicht-Fotos sind, bin ich auch total happy. Wie gut, dass Ronni mir seine Tricks und Kniffe gezeigt hat. Liebe Grüße,
      Jutta

  7. Wunderbare Bilder. Ich würde das Nordlicht auch gerne mal sehen. Aber ich halte es bei 0 Grad im Sonnenschein nicht länger als ne halbe Stunde im Freien aus. Wie soll ich mir da bei minus 30 Grad gleich mehrere Nächte um die Ohren schlagen. Für einen Gfröörli wie mir bleibt das Nordlicht wohl unerreichbar… :(

    • Guten Morgen Oli,
      herzlichen Dank! Du, ich würde das nicht sagen: Klar, irgendwann zieht die Kälte in die Knochen, aber mit einem Ski-Anzug und den richtigen Stiefeln hält man es eine ganze Weile draußen aus. In der ersten Nacht hatte ich meine „normalen“ Winter-Trekking-Boots an, in den beiden Nächten darauf Stiefel, die bis -40° warm halten (sollen … der Beweis steht noch aus) und darin hatte ich tatsächlich mollig warme Füße. Lediglich das Handschuh-Problem beim Fotografieren habe ich noch nicht endgültig gelöst! Sonnige Grüße,
      Jutta

    • Hallo Nanika, lieben Dank! Genauso stelle ich es mir vor: Dass meine kleinen Geschichten und meine Bilder Lust machen auf mehr. Freu mich, dass du begeistert bist! Lass uns einen Flieger chartern: Ich möchte auch zurück nach Island! Sonnige Grüße,
      Jutta

  8. Wunderschön!
    Auch wir hatten das Glück schon einmal das *Nordlicht* zu sehen, in Norwegen im Dezember 2010 extrem kalt bei -30°C – diesen Anblick werd ich NIE vergessen!
    Wir sind in diesem Jahr für 3 Monate auf Island….auch ohne Himmelsfeuerwerk, die schönste Insel der Welt…für uns! ;)
    Liebe Grüße und danke für’s zeigen!
    Gabi

    • Gabi, herzlichen Dank! Minus 30 Grad? Oh, da hatte ich ja richtiges Glück mit der Temperatur bei +/- 0 Grad! Meine Güte, 3 Monate Island – ein Traum! Da fahrt ihr doch sicher auch in die Westfjorde? Wirst du darüber berichten? Ja, Island ist für mich auch eines der schönsten Länder. Ich hoffe, dass es noch lange dabei bleibt. Kürzlich im Februar/März war es überraschend „voll“ … Aber die schönen Ort hat man eben nicht immer für sich allein. Liebe Grüße, Jutta

      • Ja, liebe Jutta, da hast du vollkommen Recht.
        …und natürlich werde ich berichten…wir sind mit unserem eigenen WoMo (http://unimog.is) dort und werden die Insel förmlich *einatmen*, auch die Westfjorde :)…ich freu mich riesig auf den atlantischen Wind…
        Liebe Grüße
        Gabi

    • Danke Christina, ja das war es! Und ich war so froh, dass es im dritten Anlauf endlich geklappt hat. Denn eine Aurora-Garantie gibt es ja wirklich nicht. Wenn ich an die Angebote von Reiseveranstaltern denke: „Nordlicht-Tour nach xy“ … : ) Liebe Grüße, Jutta

      • Ja. Probieren kann man es ja….(ich meine damit die Reiseveranstalter). Das wird ungefähr so sein, wie die angepriesenen Whale-Watching-Touren. Die Natur IST und BLEIBT unberechenbar und genau das ist auch das Schöne daran.

      • Genauso ist es! Manchmal hätte ich aber gerne mehr Zeit, einfach um darauf warten zu können, was die Natur mir denn an Geheimnissen preisgeben möchte …

  9. Du schilderst sehr schön, wie ihr dann doch endlich der Diva begegnet seid. Dieser Mix aus grün und pinkfarbener Aurora ist toll. Ich habe vor Jahren mal in Nordnorwegen Nordlichter gesehen. Wir waren an Bord eines Hurtigrutenschiffs, was das Fotografieren unmöglich machte, da die Vibrationen des Schiffes zu stark waren. Aber es ist ein einzigartiges Erlebnis, was man gar nicht beschreiben kann. Oftmals wird das tanzende Nordlicht in Videos oder in Fernsehdokus ja im Zeitraffer gezeigt, was ich immer etwas schade finde.
    Liebe Grüße. :)

    • Lieben Dank! Ja, ich kann mir vorstellen, dass Aufnahmen auf dem Schiff nicht wirklich möglich waren. Ich hatte sogar 2 Sek. Zeitverzögerung eingestellt, da ich keinen Fernauslöser habe. Jetzt würde ich liebend gerne einmal in andere Länder reisen, um die Lichter zu beobachten. Denn mit toller Kulisse wirken sie eigentlich noch schöner als ohne, nicht wahr? Sonnige Grüße, Jutta

  10. Das ist wirklich wunderwunderschön. Ich glaube wenn ich die in echt sehen würde, müsste ich wahrscheinlich heulen vor lauter Ehrfurcht. Da hast Du wirklich ein riesiges Glück gehabt. GlG, Nadine

    • Ja, Nadine, da hatte ich tatsächlich endlich Glück! Und weißt du was? Am zweiten Tag, als der Himmel „explodierte“, waren zuerst ganz viele Leute um uns herum und alle waren wie aus dem Häuschen und haben sich gefreut. Überall gab es nur „Wow!“ Das war total schön und total ansteckend. Was für eine Nacht! Und dann rauf auf den Vulkan … Und dort hatten wir die Lichter dann ganz für uns allein. Oh! Liebe Grüße,
      Jutta

  11. Unglaublich tolle Fotos, Jutta. Kann mir trotzdem gar nicht vorstellen, wie es erst sein muss, die Lichter in echt zu erleben. Hoffe, ich habe eines Tages auch so’n Glück! ;-) Ich schließe mich der GelbenEule an: meine Island-Bucket List wird mit deinen Einträgen immer länger…

    • Lieben Dank Katharina! Das Schöne an Island ist, dass dir das Land zu jeder Jahreszeit an völlig anderes Gesicht zeigt: Dinge, die du nur im Sommer sehen und erleben kannst (die riesigen Lupinen-Felder, die Mitternachtssonne, Puffins …) und solche, die es nur im Winter gibt (Eishöhlen, Nordlichter, gefrorene Wasserfälle …). Es ist ganz klar: Man MUSS einfach öfter als nur einmal dorthin reisen! Sonnige Grüße,
      Jutta

  12. Toll! Aufregend und klasse Erlebnis! Und wunderwunderschöne Fotos! Ich war schon so oft im hohen Norden, aber ich hab’s noch nie gesehen!
    Danke für diesen Ausflug zum Polarlicht!
    LG
    Ulrike

    • Hallo Ulrike, diesmal hatte ich wirklich Glück! Es war ja auch schon mein dritter Anlauf. Drei Nächte lang hat der Himmel geleuchtet und immer völlig anders. War schon schön … Möchte gerne mehr davon! Liebe Grüße,
      Jutta

  13. Auf den (wie immer) schönen Fotos sieht es schon toll aus. In echt muss das Schauspiel wirklich großartig sein. Auch noch ein „to do“ auf meiner Island-Liste (die mit jeden deiner Beiträge immer länger wird ;-) ).

    • Danke dir! Ja, ich hatte wirklich Glück, dass ich die Lichter überhaupt – und sogar an drei Tagen – gesehen habe und dann noch mit bloßen Augen. Das ist nicht immer der Fall. Oft sind die Lichter später nur auf den Aufnahmen zu sehen. Am 27. Februar wollte das Feuerwerk gar nicht mehr aufhören: Es war fantastisch! Liebe Grüße,
      Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

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