Hallo Nordlicht! [Island]

Natürlich kann man eine Bustour buchen, sich vor die Stadt chauffieren lassen, im beheizten Bus warten, auf Kommando nach draußen klettern und nach einer Stunde verrichteter oder unverrichteter Dinge heimkehren. Die Crux organisierter Nordlicht-Touren ist ganz einfach die: Es gibt einen Zeitplan und eine vorgegebene Route. Und niemanden, der außer der Standardinfo über das Naturphänomen auch nur einen Schimmer davon hätte, wo und wann man in dieser speziellen Nacht das Nordlicht am besten beobachten und vielleicht auch fotografieren kann. 
Meine erste Nordlicht-Jagd war so eine Tour. Mit meinem Sohn und 50 weiteren Gästen. Es gab ein Licht, einen blassen Schein, aber nur die pfiffige Italienerin hatte es gesehen: Auf dem Display ihrer Kamera nämlich. Der Rest von uns hatte trotz epischer Ausführungen der Reisebegleitung nicht die leiseste Ahnung, wonach er oder sie überhaupt Ausschau halten sollte. Wusste nicht, dass der weiße Schleier dort oben am Himmel keine schnöde Wolke war, sondern genau das, wonach wir in dieser Nacht suchten. Als mir dann am nächsten Morgen der nette Typ bei Autoverleih vom Tanzen der Lichter erzählte, vom Leuchten über der Stadt, davon dass es um drei am Morgen – und eben nicht um zehn am Abend – mit bloßem Auge zu sehen gewesen war, in dem Augenblick habe ich alle Bustouren und alle Tour Guides und überhaupt alles und jeden im Stillen verflucht. Mich selbst eingeschlossen. 
Eine Tour habe ich nie wieder gebucht. Ich bin auch nicht selbst mitten in der Nacht in die Wildnis gefahren, um nach Nordlichtern zu suchen. In unbekanntem Terrain wie auf Islands unbefestigten und unbeleuchteten Straßen und vor allem im Schnee ist das auch keine gute Idee. Lieber habe ich mich auf einen Experten verlassen. Auf jemanden, der das Himmelsleuchten seit vielen Jahren beobachtet, der die Straßen, Wege und vor allem schöne Plätze kennt, die eine fabelhafte Kulisse für Nordlichter abgeben. Der professionell mit einer Kamera umgehen und mir bei meinen eigenen Versuchen, das Nordlicht fotografisch einzufangen, wertvolle Tipps geben kann. Jemanden, der unabhängig von der Uhrzeit auf Nordlicht-Jagd geht, der ein Netzwerk Gleichgesinnter aufgebaut hat: Aurora-Fans, die sich gegenseitig informieren, wenn der Himmel über Island zu leuchten beginnt. Ronni ist dieser Experte. Er hat mir mein erstes Nordlicht „gezeigt“. Mit ihm bin ich mitten in der Nacht auf den schneegepuderten Eyjafjallajökull gefahren, als am 27. Februar 2014 der Himmel explodierte und die Polarlichter sogar über Norddeutschland zu sehen waren (nur leider hat dort kaum jemand etwas davon bemerkt). Auch auf meiner jüngsten Island-Reise haben wir gemeinsam Nordlichter gejagt. Und gefunden. An ganz wundervollen Orten. Nordlichter über SólheimasandurNordlichter über Sólheimasandur
Am Sólheimasandur liegt seit dem 21. November 1973 das Wrack eines US-Militärflugzeugs. Tagsüber ist die verwitterte C-117 schon ein irres Fotomotiv, unterm Nordlicht ist sie einfach grandios. Damit sich der Rumpf der Maschine in der Dunkelheit etwas besser abzeichnet, haben wir ihn innen mit einer Taschenlampe ausgeleuchtet, von außen mit dem Abblendlicht der Autoscheinwerfer angestrahlt.

Ganz ohne Tricks kommen wir in einer der kommenden Nächte aus. Im Osten Islands, etwas nördlich von Höfn und eingebettet in eine Bergkulisse, liegt der Fjord Papafjörður, dessen spiegelglatte Oberfläche für fantastische Bildeffekte sorgt und in dieser Nacht nicht nur das grüne Leuchten des Nordlichts, sondern auch die unzähligen kleinen Glanzpunkte am Firmament, den Sternenhimmel wundervoll reflektiert. Der Schnee auf den Bergspitzen bringt zusätzliche Kontraste. In dieser Nacht bewegt sich das Licht nur langsam, aber in schönen „Spiralen“ und „Flammen“. Es leuchtet intensiv, ab und zu kommt ein rötlicher Schimmer durch. Und auch als wir uns nach Stunden auf den Heimweg machen, tanzt es noch über den Himmel. Magische Momente, über die man nicht viele Worte verlieren muss.Nordlichter über PapafjörðurNordlichter über Papafjörður
© Text und Fotos: Jutta M. Ingala

Wer? Wo? Was?
Nordlichter, Polarlichter oder wissenschaftlich Aurora Borealis treten hauptsächlich in den Polarregionen von Oktober bis Anfang April auf. Etwas unwissenschaftlich habe ich das Phänomen im Blogpost „Wo die Nordlichter tanzen“ zu erklären versucht. Wer im Winter in Island unterwegs ist, Nordlichter beobachten und fotografieren möchte, sollte sich gut vorbereiten oder einen lokalen Guide kontaktieren. Icelandair bietet in den Wintermonaten interessante Flug- oder Kurztrip-Specials nach Island an. Die richtige Kleidung nicht vergessen! Mehr Bilder aus Island „on the road“ gibt es übrigens auf Instagram unter meinem Hashtag #InLoveWithIceland

Diese Reise wurde außerdem unterstützt von Icelandair und Visit Vatnajökull. Herzlichen Dank dafür!

77 Gedanken zu “Hallo Nordlicht! [Island]

  1. Pingback: So schön ist Island im Herbst

  2. Pingback: Meine Reisen im März: Berlin und Island | Meerblog

  3. Wow, grandiose Fotos sind das geworden. Ich habe Anfang diesen Jahres ein echtes Nordlichtfeuerwerk in Lappland erleben dürfen. Leider hat mir der Experte an meiner Seite gefehlt und so sind die Fotos nicht so schön wie sie hätten sein können – unter der Anleitung von jemandem der Ahnung von Einstellungen bei der Nordlichtfotografie hat. Wenn ich es irgendwann mal endlich nach Island schaffe, werde ich mir Deinen Experten buchen, soviel ist sicher!

    • Liebe Kerstin, herzlichen Dank! Ich hoffe, dass Ronni dann zurück in Island sein und wieder Touren anbieten wird. Er hatte eine Reihe von persönlichen Schicksalschlägen zu verkraften und pausiert gerade. Du kannst ihm aber auf Facebook unter The Aurora Photo Guide Runólfur Hauksson folgen und sehen, wann er wieder im Land ist und – hoffentlich – Touren anbieten kann! Lieben Dank fürs Vorbeischauen! Sonnige Grüße, Jutta

  4. Wir toll ist das denn! Die Bilder sind so was wie wunderschön! Die würde ich mir alle an die Wand hängen! Ein guter Tipp mit dem Führer, denn so wie ich mich kenne, hätte ich wohl allein mein Glück versucht. LG Simone

    • … was ja auch grundsätzlich nicht schlecht ist, aber ein „Local“ kennt eben die besten Spots und vor allem die Tücken des Terrains bei Nacht. Für mich war das eine super gute Erfahrung und ich würde jedem empfehlen, mit einem heimischen Aurora-Experten auf die Nordlicht-Jagd zu gehen. Möchte am liebsten gleich wieder los! Liebe Grüße, Jutta

  5. Wundervolle Bilder! Vielleicht habe ich nächstes Jahr Glück und sehe auch welche… Danke für den Tipp, ich werde mich auf alle Fälle vorher erkundigen wie man die Polarlichter am besten fotografiert.
    Man denkt ja wegen der vielen Bilder, dass das Naturschauspiel in echt genauso aussieht, kein Wunder dass man dann etwas enttäuscht ist…

    Toller BLog übrigens, die perfekte Einstimmung und Vorbereitung auf meinen Islandurlaub (leider erst nächstes Jahr, muss mich also noch ein bißchen gedulden :-)

    LG, Julia

    • Hallo Julia, herzlichen Dank für deinen Besuch hier und den netten Kommentar! Die Zeit bis zu deiner Reise wird sicher wie im Flug vergehen und ich drücke dir die Daumen fürs „Aurora Hunting“. Die Lichter zu fotografieren ist übrigens ganz leicht: Du brauchst lediglich ein lichtempfindliches Objektiv (f 2.8) und ein solides Stativ. Kameraeinstellung: manuell, ISO 500, manueller Fokus auf „unendlich“ und dann ein wenig zurück drehen (also nicht ganz auf „unendlich“), f 2.8, mit der Belichtungszeit spielen: zwischen 2-30 Sekunden, je nach Intensität des Lichts. Ausprobieren udn vergleichen, was dir besser gefällt. Entweder per Fernauslöser oder mit 2 Sekunden Zeitverzögerung auslösen. Fertig! Sonnige Grüße, Jutta

  6. Wunderwunderwunderschöne Bilder! Das Erlebnis muss wirklich beeindruckend gewesen sein. Ich hatte beim ersten Mal Island kein Glück (war aber auch ohne Experten auf der Suche). Nächstes Jehr will ich mein Glück in Norwegen versuchen…

    • Hallo Tabitha, merci vielmals! Meine erste Nordlicht-Jagd war ja leider auch ein Flop. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass ich die Lichter sehen würde. Leider dann nur auf dem Kamera-Display einer anderen Reisenden. So schwach waren sie. Und nicht einmal mit meiner Kamera konnte ich sie einfangen, weil ich natürlich keine Ahnung hatte wie! Es gehört immer ein Quäntchen Glück dazu und ich drücke dir für dein nächstes Vorhaben fest die Daumen. Sich jemandem anzuschließen, der weiß, wonach er Ausschau halten muss und wann, ist keine schlechte Idee. In knapp 14 Tagen bin ich wieder in Island und ich hoffe, dass ich auch diesmal das Himmelsleuchten beobachten kann. Mal schauen : ) Sonnige Grüße, Jutta

    • Guten Morgen und ganz lieben Dank! Ich war mit einem „Local“ unterwegs, der natürlich schöne Kulissen kannte bzw. in der Nacht mit seinem Wagen auch über Schotterpisten fahren konnte/mochte, um dorthin zu gelangen. Auch keine unwesentlicher Aspekt – zumindest in Ländern wie Island : )
      Ich kann mir übrigens vorstellen, dass eine bunte Häuserzeile unter Nordlichtern – so wie ihr es beschrieben habt – auch richtig gut aussieht! Auf Nordlichtjagd in Nordwegens Norden würde ich darum auch gerne einmal gehen! Startet gut in den Tag, sonnige Grüße, Jutta

Heraus mit der Sprache! Ich sehe es wie Karl Popper: "Der Wert eines Dialogs hängt vor allem von der Vielfalt der konkurrierenden Meinungen ab."

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..